Wieso versteht man die Namen homöopathischer Arzneimittel nicht?

Oft finden Sie die Namen homöopathischer Arzneimittel zur Selbstbehandlung in Listen oder Tabellen. Dort sind die Einzelmittel angegeben in Form einer Abkürzung und der Potenz. Selbst wenn Sie homöopathische Komplexmittel nutzen, finden Sie auf der Inhaltsangabe diese Bezeichnung. Die Potenz habe ich in meinem Blogbeitrag vom März erklärt.

Nun wende ich mich den Fragen zu: Wieso werden denn die Namen homöopathischer Arzneimittel abgekürzt? Und wieso versteht man sowohl diese Abkürzung als auch den Namen nicht?

Rückblick in die Entstehungszeit der Homöopathie

In der Kurzfassung: Codiert wird die lateinische Fachbezeichnung, aus der genau eine Abkürzung erstellt wird (siehe Periodensystem der Elemente).

Um zu verstehen, warum Homöopathen lateinische Bezeichnungen verwenden, werfen wir einen Blick zurück in die Entstehungszeit der Homöopathie. Die Homöopathie wurde von Samuel Hahnemann (1755–1843) etwa zur Jahrhundertwende aus den Ideen des Hippokrates (etwa 460 v. Chr.–360 v. Chr.) und des Paracelsus (1493/94–1541) entwickelt. In anderen Ansätzen finden wir diese Ideen heute auch in der Spagyrik und zum Teil in der Phytotherapie wieder. Die Wurzeln reichen also weit in die vorhumanistische Zeit zurück.

Hahnemann studierte an den Universitäten Leipzig und Wien Medizin. Die damals übliche Gelehrtensprache war Latein. Bis ins 19. Jahrhundert erschienen wichtige Veröffentlichungen noch in Latein. Deshalb war die lateinische Sprache an Universitäten und Gymnasien fester Bestandteil des Lehrplans. Sowohl Galilei, Kepler, Newton, sogar Schopenhauer und Linné publizierten ihre bahnbrechenden Ideen immer noch in Latein, auch wenn an den Universitäten die Vorlesungen schon in den modernen Sprachen abgehalten wurden. An deutschen Gymnasien wurde erst zur Zeit Wilhelm II. der lateinische Aufsatz und die mündliche Prüfung in Latein als Bestandteil der Abiturprüfungen abgeschafft. Bis dahin gehörte die Kenntnis und Anwendung des Lateinischen zum Werkzeug eines jeden Arztes, Gelehrten, Wissenschaftlers oder Philosophen. Vorteil dieser Sprache war eindeutig die Möglichkeit der internationalen Verständigung, ähnlich der englischen Sprache in heutiger Zeit. Und so wundert es nicht, dass international gültige Bezeichnungen und Systematiken bis heute auf dem Lateinischen basieren.

Zur heutigen Nennung von medizinischen Fachbegriffen

Die Benennung der Körperteile, Knochen, Muskeln oder Nerven erfolgt bis heute im Medizinstudium bzw. allgemein in der Anatomie in Latein. Sinnvoll ist es selbstverständlich auch, die deutsche Bezeichnung zu kennen, wie z.B. das Schienbein, der Tibia oder das Daumengrundgelenk, Articulationes metacarpophalangeae.

Die chemischen Elemente, systematisch geordnet im Periodensystem der Elemente, tragen sowohl eine deutsche als auch eine lateinische Bezeichnung, z.B. wird Stickstoff Nitrogenium genannt. Das Formelzeichen als Abkürzung für das Stickstoffatom ist weltweit N, abgeleitet vom lateinischen Namen.

Die Bezeichnung und Systematik des Pflanzen- und Tierreichs geht zurück auf den Schweden Carl von Linné, der sein Werk Systematik Naturae 1735 noch auf Latein veröffentlicht hat, welches bis heute die Grundlage der Systematik in der Pflanzen- und Tierwelt bildet. So wird einer jeden Art ein lateinischer Name zugeordnet, der internationale Gültigkeit hat.

Darüber hinaus bezeichneten Apotheken lange ihre Essenzen und Heilmittel in lateinischer Sprache, ja bekamen die Zusammensetzung einzelner Arzneimischungen verordnet von Ärzten auf Rezepten verfasst in lateinischer Sprache.

Weltweite Einigkeit zur Benennung homöopathischer Arzneimittel

Abgeleitet von diesem weit verbreiteten Ansatz bezeichnete Hahnemann seine homöopathischen Arzneimittel ebenso auf Latein. Es war für ihn völlig selbstverständlich, das Quecksilber als Mercurius solubilis oder die Kamille als Chamomilla zu benennen. Interessant ist hierbei auch, dass sich die systematischen Bezeichnungen mit den Jahren möglicherweise geändert haben, da eine Pflanze inzwischen einer anderen Pflanzenfamilie zugeordnet wird als zu Hahnemanns Zeiten. So kann es geschehen, dass mehrere lateinische Namen angegeben werden. Umso wichtiger zum Verständnis wird jetzt die Abkürzung, die eine eindeutige Identifizierung und Zuordnung als homöopathisches Arzneimittel sicherstellt. Der Leitgedanke ist auch hier bis heute, einen internationalen Standard zu definieren, um eine weltweite Eineindeutigkeit sicherzustellen.

Hier einige Beispiele dieser Bezeichnungen, die die Wichtigkeit einer solchen Regelung aufzeigen:

  • acon – Aconitum napellus – blauer Eisenhut – monks hoot (engl.)
  • puls – Pulsatilla pratensis – Küchenschelle, Wiesenanemone – pasqueflower (engl.)
  • ferr – Ferrum metallicum – metallisches Eisen – iron (engl.)
  • falc-p – Falco perregrinus – Wanderfalke – perregrine falcon (engl.)

Abschließend noch einmal die Erinnerung: Den vollständigen Namen eines homöopathischen Arzneimittels kann in der Abkürzung und der Potenz bestehen, niemals jedoch ausschließlich aus dem lateinischen oder sogar nur dem deutschen Namen. Der Homöopath bzw. der Apotheker braucht immer beide Aussagen – welcher Stoff wurde in welcher Potenz verordnet oder verabreicht.

Hier finden Sie alle Informationen zu unserer Ausbildung Klassische Homöopathie im Fernlehrgang.

Dieser Beitrag wurde von Dr. Martina Hanner, Tutorin der Ausbildung Klassische Homöopathie im Fernlehrgang, verfasst.

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