Systemische Psychotherapie – systemische Interventionen

Systemische Psychotherapie – systemische Interventionen

Systemische Psychotherapie gehört neben der analytischen Psychotherapie, der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und der Verhaltenstherapie zu den vier Richtlinien-Verfahren in Deutschland. Das heißt, diese sind in den Psychotherapie-Richtlinien festgelegt und somit kann eine Approbation erteilt und mit den staatlichen Kassen abgerechnet werden.

So viel kurz zum Rechtlichen, was genau ist aber nun die systemische Psychotherapie? Seit wann gibt es sie und was sind systemische Interventionen?

Der Ursprung der systemischen Psychotherapie

Entwickelt hat sich die systemische Therapie als eine Bewegung, welche in den USA in den 50er- und in Europa in den 60er-Jahren unabhängig voneinander entstand. Es gab immer wieder Rückschläge bei Patient*innen, die anfangs gute Therapiefortschritte aufzeigten. Es fiel mehr und mehr auf, dass die Familien der Patient*innen ein wesentlicher Einflussfaktor zu sein schienen. Somit wurde das System Familie genauer betrachtet und in die Therapie mit einbezogen.

Es erwies sich als hilfreich, dass die Interaktionen und Kommunikation der Familienmitglieder untereinander für die Therapeut*innen äußerlich sichtbar und greifbarer waren als die intrapsychischen Prozesse der Patient*innen allein. Es ging nun mehr und mehr um die Kommunikation und die Interaktion der Familienmitglieder miteinander und welche Auswirkungen dies auf die Indexperson hat.

Durch z.B. zirkuläres Fragen („Was glaubst du, würde dein Vater jetzt sagen?“) oder durch Störung der Systemordnung (Musterunterbrechung) konnten somit neue Prozesse innerhalb der Familie in Gang gebracht werden. Auch neue Ideen und eine Außenperspektive des/der Therapeut*in konnte neue Orientierungsprozesse des Systems anregen.

Die Wandlung der Rollen

Mit der systemischen Psychotherapie wandelten sich zum einen die Sicht und zum anderen die Rolle der zu behandelnden Personen ebenso wie der Behandelnden. Waren es vorher Patient*innen, die evtl. inkompetent, verzerrt und als krank gesehen wurden – ganz nach der lat. Übersetzung von „patiens“, was leiden oder erdulden bedeutet – sind es nun Klient*innen, die als Expert*innen ihrer/seiner selbst gesehen und auch dementsprechend behandelt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Klient*innen die besten Lösungsmöglichkeiten, die ihnen in dem Moment zur Verfügung stehen, bereits nutzen, auch wenn diese teilweise nicht zielführend sind.

Hier kommt nun die neue Rolle für den/die systemisch arbeitende/n Therapeut*in. Die Behandelnden nehmen eine Haltung des Nichtwissens bezüglich der Probleme und Lösungen der Klient*innen ein und sehen sich ausschließlich als Expert*innen für die Außensicht und die Gesprächsführung. Darüber hinaus begleiten Sie den Veränderungsprozess der Klient*innen und unterstützen diese, eigene attraktivere bzw. ökonomischere Lösungen zu entwickeln.

Die systemische Grundhaltung

  • Neutralität gegenüber Weltbildern, Werten, Personen, Prozesstempo, Problemen/Lösungen, Empfindung von Schwere/Leichtigkeit von Themen
  • Allparteilichkeit gegenüber allen Systemmitgliedern ausbalancierend
  • Wertschätzung
  • Symptome als dysfunktionale Lösungsversuche: Der/die Therapeut*in geht davon aus, dass es einen guten Grund/eine gute Absicht für ein bestimmtes Verhalten gibt.
  • Konstruktivistisch
  • Haltung der Unwissenheit bzgl. richtig und falsch
  • Therapeutische Rolle besteht in der nützlichen Prozessgestaltung und attraktiven Einladungen
  • Kundenorientiert/auftragsorientiert
  • Ressourcenorientiert
  • Lösungsorientiert
  • Erweiterung der Freiheitsgrade/Wahlmöglichkeiten
  • Berücksichtigung des Kontextes, ganzheitliche Betrachtung
  • Dynamisch-synergetisch betrachtend
  • Einbezug der eigenen Therapeuten-/Beobachter-Position in die Prozessbetrachtung
  • „Respektlos“ gegenüber fixen Ideen: Es sollte nicht zu viel Energie und Aufmerksamkeit in den Fokus von Problembeschreibungen oder fixierter Wirklichkeitsbeschreibungen liegen, sondern in den Lösungsmöglichkeiten.
  • Tabubrechend
  • Kreativ, fantasievoll und flexibel mit Symbolen und Geschichten
  • Humorvoll

Systemische Interventionen

Hatte die systemische Psychotherapie ihren Anfang in der Familientherapie, so hat sich dies mehr und mehr weiterentwickelt und findet nun auch größeres Ansehen sowie zusätzliche Möglichkeiten innerhalb der Einzel- und Paartherapie. Denn die Interventionen sind sowohl im familientherapeutischen als auch im Einzel- und Paarsetting möglich.

Timeline-Arbeit

Bei der Timeline-Arbeit wird i.d.R. ein Seil auf dem Boden ausgelegt. Dieses Seil symbolisiert die Lebenszeit von der Vergangenheit über die Gegenwart bis hin zur Zukunft. Nun kann der/die Klient*in die für sie wichtigen Ereignisse darstellen. Für „Stolpersteine“ können z.B. echte Steine als Symbol dienen. Auch die Frage nach eventuellen „Knoten“ oder beflügelnden Momenten kann hilfreich sein, je nach Kontext der Therapie.

Ob Gegenstände für die Symbolik genutzt oder die Ereignisse nur auf Moderationskarten geschrieben und an/auf die Timeline gelegt werden, ist ganz der Fantasie des/der Thereput*in und/oder Klient*in überlassen. Des Weiteren können auch Ressourcen und Stärken innerhalb der Timeline dargestellt werden. Verschiedene Themen, die bei der Darstellung auftauchen, können dann vertieft er- und bearbeitet werden. Somit kann sich dieser Prozess auch über mehrere Therapieeinheiten hinwegziehen.

Genogrammarbeit

Das Genogramm ist eine grafische Darstellung der Familienstruktur und somit eine schöne Möglichkeit, sich einen Überblick über das System des/der Klient*in zu verschaffen. Dabei ist dies i.d.R nicht nur für den/die Therpauet*in, sondern auch für den/die Klient*in sehr spannend.

Dargestellt werden u.a.:

  • alle Familienmitglieder der Indexperson (auch Haustiere) …
  • … und deren Beziehungen zueinander
  • Geburtsdaten/Sterbedaten
  • Krankheiten
  • Beruf
  • Ressourcen/Stärken
  • Hobbys
  • Gerüchte/Mythen
  • Glaubenssätze
  • Familienleitsätze
  • u.v.m. …

All diese Aspekte können nun genauer betrachtet und erste interessante Schlüsse gezogen werden. Zum Beispiel ist evtl. der Lehrerberuf über Generationen hinweg dargestellt oder es gibt Familienmitglieder, über die Sie gar nichts wissen. Eventuell gibt es Stärken, die vermehrt in Ihrer Familie auftreten oder ein Thema, über das niemand wirklich reden mag.

Familienbrett/systemisches Brett

Bei dem Familienbrett/systemischen Brett haben Sie ein Brett und eine Reihe von Holzfiguren, welche sehr rudimentär dargestellt sind. Es gibt Augen, um die Figur in eine bestimmte Richtung auszurichten, dann noch verschiedene Größen zwecks Alter o.Ä. und bestimmte Formen für die Darstellung der Geschlechter.

Auf diesem Brett kann dann ein beliebiges, für die Therapie relevantes Thema aufgestellt werden. Die Familienmitglieder/situationsrelevanten Personen oder gar Symptome werden also mittels der Figuren dargestellt. Der/die Klient*in kann u.a. ihre Gedanken zu den jeweiligen Personen und deren Darstellung äußern, externalisieren und somit eine Situation noch mal für sich auf eine weitere Weise erlebbar machen. Die Metaebene bietet dabei die Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen, ohne sich direkt in der Situation zu befinden.

Neben den hier genannten Beispielen gibt es noch eine Vielzahl von weiteren Interventionen und speziell systemischen Fragen (zirkuläres Fragen, Wunderfrage, Frage nach der Ausnahme usw.), die den Rahmen des Blogbeitrages jetzt allerdings sprengen würden.

Quellen:

Weitere Beiträge aus dieser Reihe:

Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Ausbildungen zum Heilpraktiker für Psychotherapie:

Dieser Beitrag wurde von Katharina Scholz, Tutorin der Vollzeitausbildung an der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig, verfasst.

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