Wegbereiterinnen der Psychologie und Psychotherapie – Teil 6: Margarete Mitscherlich: In diesem Beitrag aus der Reihe Wegbereiterinnen der Psychologie und Psychotherapie stellen wir Ihnen Margarete Mitscherlich, geb. Nielsen (1917‒2012) vor. Sie war Psychoanalytikerin, Ärztin und Frauenrechtlerin.
Frühe Jahre von Margarete Mitscherlich: Kindheit zwischen zwei Kulturen
Am 17. Juli 1917 wird Margarete im nordschleswigschen Gravenstein (heute Dänemark) als jüngstes von fünf Kindern geboren. Noch ahnt niemand, dass sie später zu einer der wichtigsten Stimmen der deutschen Nachkriegspsychoanalyse und Frauenbewegung werden wird.
Ihre Mutter war deutsche Lehrerin, ihr Vater dänischer Arzt – zwei Kulturen, die nicht selten zu Spannungen in der Familie führten. 1932 zog Margarete nach Flensburg, wo ihr Großvater eine Bank besaß. Nach dem Schulabschluss begann sie Mitte der 1930er-Jahre zunächst ein Studium der Geisteswissenschaften. Die politischen Umstände jener Zeit prägten jedoch stark die Inhalte – und so wechselte sie nach drei Semestern zur Medizin. Wie alle jungen Frauen musste sie am nationalsozialistischen Pflichtarbeitseinsatz teilnehmen – eine Erfahrung, die sie nachhaltig bewegte.
Ausbildung und berufliche Anfänge von Margarete Mitscherlich
Sie studierte in München, Jena und Heidelberg, bestand dort ihr Staatsexamen und promovierte 1950 in Tübingen. Während des Krieges wurde sie 1944 von der Gestapo verhört, konnte aber nach Dänemark fliehen. Nach dem Krieg arbeitete sie als Ärztin in der Schweiz, wo sie Alexander Mitscherlich kennenlernte – ihren späteren Ehemann. 1955 heirateten sie.
Ende der 1940er-Jahre kehrte sie nach Deutschland zurück. 1949 wurde ihr Sohn Mathias geboren, mit dem sie zunächst am Bodensee lebte, bevor sie nach Stuttgart zog. Dort arbeitete sie in einer Klinik, absolvierte ihre erste Psychoanalyse und besuchte auch Seminare in diesem Bereich.
Die Wiederbelebung der Psychoanalyse in Deutschland
In den 1950er-Jahren begann Margarete Mitscherlich ihre Ausbildung in Psychoanalyse, unter anderem in London bei Michael Balint, und besuchte Seminare von Anna Freud und Melanie Klein. 1960 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann das Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main – ein Meilenstein für die Wiederetablierung der Psychoanalyse in Deutschland.
Mitscherlichs Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit
Ein besonderer Höhepunkt ihres Schaffens war 1967 die Veröffentlichung des Buches „Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens“, das sie gemeinsam mit Alexander Mitscherlich schrieb. Darin analysierten die beiden die kollektive Verdrängung der NS-Vergangenheit in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Das Werk löste intensive Diskussionen aus – und während Alexander Mitscherlich für seine intellektuelle Leistung gefeiert wurde, blieb Margaretes Anteil weitgehend unbeachtet. Ein Spiegel der damaligen Geschlechterrollen.
Feminismus, Vermächtnis und Bedeutung von Margarete Mitscherlich
In den 1970er-Jahren engagierte sich Margarete Mitscherlich zunehmend in der Frauenbewegung. Mit ihrem Buch „Eine friedfertige Frau“ wurde sie zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen ihrer Zeit. Ihr Denken blieb stets gesellschaftsbezogen: Sie wandte die Psychoanalyse nicht nur auf Individuen, sondern auf ganze gesellschaftliche Strukturen an – mit dem Ziel, kollektive Verletzungen und Verdrängungen sichtbar zu machen.
Margarete Mitscherlich starb am 12. Juni 2012 in Frankfurt am Main. Sie hinterließ ein beeindruckendes Lebenswerk – geprägt von Mut, Scharfsinn und dem unermüdlichen Willen, verdrängte Wahrheiten ans Licht zu bringen.
Quellen:
- https://www.uni-heidelberg.de/de/universitaet/heidelberger-profile/alumni-interviews/jeder-patient-ist-eine-art-roman
- http://margarete-mitscherlich.de
- https://troschke-archiv.de/interviews/margarete-mitscherlich
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Dieser Beitrag wurde von Katharina Scholz, Dozentin für die Ausbildung Heilpraktiker Psychotherapie an der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig, verfasst.
