Wegbereiterinnen der Psychologie und Psychotherapie – Teil 3: Mamie Phipps Clark

Wegbereiterinnen der Psychologie und Psychotherapie – Teil 3: Mamie Phipps Clark

Wegbereiterinnen der Psychologie und Psychotherapie – Teil 3: Mamie Phipps Clark: In diesem Monat möchte ich Ihnen eine weitere Wegbereiterin der Psychologie und Psychotherapie vorstellen Mamie Phipps Clark (1917–1983), Entwicklerin des Doll Tests.

Dr. Mamie Katherine Phipps Clark

Wer sich mit Psychologie, Psychotherapie und Rassismuskritik beschäftigt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit schonmal auf den Doll Test (Puppentest) gestoßen. Es handelt sich dabei um ein psychologisches Experiment, das von der Kinder- und Sozialpsychologin Dr. Mamie Phipps Clark in den 1940er-Jahren in den USA entwickelt wurde und darstellen sollte inwieweit afroamerikanische Kinder durch Vorurteile, Diskriminierung und der damaligen „Rassentrennung“ Ausgrenzung empfinden.

Der Begriff Rasse wird heute im deutschsprachigen Raum als kritisch angesehen, da er auf rassistische Theorien zurückgeht, nähere Erläuterung finden Sie hier.

Aber gehen wir nochmal ein paar Jahre in der Zeit zurück. Wer war Dr. Mamie Katherine Phipps Clark eigentlich?

Kindheit und Jugend

Mamie Phipps Clark wurde am 18. April 1917 in Hot Springs, Arkansas, im Süden der USA geboren. Sie war die älteste Tochter eines angesehenen afroamerikanischen Arztes – eine Ausnahme in einer Zeit, in der Schwarzen Menschen viele gesellschaftliche Wege versperrt waren und sie meist nur Zugang zu schlecht bezahlten Jobs hatten. In den meisten afroamerikanischen Familien war es daher üblich, dass beide Elternteile arbeiten mussten, um den Lebensunterhalt zu sichern. Dank des beruflichen Erfolgs ihres Vaters konnte ihre Mutter jedoch überwiegend zu Hause bleiben und sich um Mamie und ihre Geschwister kümmern, auch wenn sie gelegentlich in der Praxis aushalf.

Schwarze Menschen ist eine Selbstbezeichnung und beschreibt eine von Rassismus betroffene gesellschaftliche Position. Schwarz oder auch Weiß wird in diesem Zusammmenhang großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt und keine reelle Eigenschaft, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist. Mehr Informationen dazu finden Sie im Glossar für diskriminierungssensible Sprache.

Rückblickend beschreibt Mamie ihre Kindheit als privilegiert – sie sei in einem warmen, behüteten und unterstützenden Umfeld aufgewachsen, was vielen anderen Kindern in ihrer Situation nicht vergönnt war. Dennoch blieb auch sie nicht von Rassismus und der damit verbundenen Gewalt verschont. Sie besuchte eine segregierte Grundschule und erinnerte sich später daran, dass ihr schon früh bewusst war, Afroamerikanerin zu sein – eine Erkenntnis, die sie dazu zwang, sich bereits in jungen Jahren an ihre Umwelt anzupassen, um sich zu schützen.

Studienzeit

Aufgrund ihrer Herkunft war Mamie Phipps Clark der Zugang zu renommierten Schulen und Universitäten verwehrt – diese standen in jener Zeit fast ausschließlich Weißen Studierenden offen. Doch sie ließ sich davon nicht entmutigen und verfolgte konsequent ihren eigenen Weg, der sie zu beeindruckenden Erfolgen führen sollte.

1934 schloss sie die High School ab. Neben der starken Unterstützung ihrer Eltern erhielt sie mehrere Stipendienangebote von sogenannten Historically Black Colleges and Universities (HBCUs) – Bildungseinrichtungen, die vor allem für afroamerikanische Studierende gegründet worden waren. Mamie entschied sich für ein Leistungsstipendium an der Howard University in Washington, D.C., mit dem Wunsch, später Kindern helfen zu können, und begann zunächst ein Lehramtsstudium in Mathematik und Physik.

Während ihrer Studienzeit lernte sie den Psychologiestudenten Kenneth Clark kennen – ihren späteren Ehemann und Vater ihrer zwei Kinder. Da sie mit der distanzierten und wenig unterstützenden Haltung ihrer Professoren im Lehramtsstudium haderte, kam die Begegnung mit Kenneth zur richtigen Zeit. Er ermutigte sie, zur Psychologie zu wechseln – ein Schritt, der ihre berufliche Laufbahn maßgeblich prägen sollte. 1938 schloss Mamie Phipps Clark ihr Bachelorstudium in Psychologie mit „magna cum laude“ ab und erhielt im Anschluss ein Graduiertenstipendium für das Masterprogramm an der Howard University.

Zwischen dem Bachelor- und Masterstudium arbeitete sie einen Sommer lang als Sekretärin für einen Anwalt der NAACP, der National Association for the Advancement of Colored People. Die Arbeit im Umfeld der Bürgerrechtsbewegung beeindruckte sie tief und beeinflusste nachhaltig ihre weitere wissenschaftliche und persönliche Entwicklung. Während ihres Masterstudiums entwickelte sie schließlich ein bedeutendes Experiment – den sogenannten „Doll Test“.

Exkurs: Doll Test

 

Studie

Im Rahmen ihrer Studie untersuchten Mamie Phipps Clark und ihr Ehemann Kenneth Clark insgesamt 253 afroamerikanische Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren. Den Kindern wurden vier identische Puppen gezeigt, die sich nur in Haut- und Haarfarbe unterschieden – zwei mit heller Haut und blonden Haaren, zwei mit dunkler Haut und schwarzen Haaren.“ Anschließend sollten sie die ethnische Zugehörigkeit der Puppen benennen und Fragen beantworten wie: „Welche Puppe ist hübscher?“, „Welche ist böser?“, „Mit welcher würdest du lieber spielen?“ oder „Welche Puppe sieht aus wie du?“

Die Ergebnisse waren erschütternd: Die überwiegende Mehrheit der Kinder bevorzugte die Weiße Puppe, schrieb ihr positive Eigenschaften zu und wollte mit ihr spielen. Die Schwarze Puppe hingegen wurde mit negativen Eigenschaften belegt – selbst von Kindern, die angaben, dass diese ihnen am ähnlichsten sehe. Die Studie zeigte deutlich, dass afroamerikanische Kinder bereits im Alter von etwa drei Jahren ein Bewusstsein für ihre ethnische Zugehörigkeit entwickeln und gleichzeitig ein negatives Selbstbild annehmen – genährt durch gesellschaftliche Vorurteile und strukturelle Ausgrenzung.

Auswirkungen

Diese Untersuchung war bahnbrechend und legte den Grundstein für weitere psychologische Forschung im Bereich Selbstwert, Identitätsentwicklung und die Auswirkungen von Diskriminierung. Der Doll Test hatte zudem Auswirkungen über die Wissenschaft hinaus: 1951 wurde erstmals eine Schwarze Kinderpuppe serienmäßig produziert – ein direktes Resultat der Studie. Auch politisch entfaltete der Test große Wirkung: Mamie Phipps Clark wurde als Sachverständige in zahlreichen Verfahren zur Aufhebung der Schultrennung gehört. Besonders bedeutend war ihre Rolle im historischen Fall Brown v. Board of Education (1954), bei dem sich die Anwälte der NAACP auf die Erkenntnisse der Clarks stützten. Das Urteil führte zur Beendigung der staatlich legitimierten Rassentrennung an US-Schulen – ein Meilenstein der Bürgerrechtsbewegung und der Bildungsgerechtigkeit in den Vereinigten Staaten.

Die Relevanz des Doll Tests ist bis heute spürbar. Seine Grundidee lebt in modernen, sensibel gestalteten Studien weiter, die sich mit impliziten Vorurteilen, kultureller Prägung und dem Selbstbild von Kindern befassen. Denn auch heute sind unbewusste Stereotype tief in unserer Gesellschaft verankert – und es bleibt eine wichtige Aufgabe, sie sichtbar zu machen und zu hinterfragen.

Promotion

Im Jahr 1940 begann Mamie Phipps Clark ihr Promotionsstudium in Psychologie an der renommierten Columbia University. Sie und ihr Ehemann Kenneth Clark waren die einzigen afroamerikanischen Studierenden an der gesamten Fakultät – eine Seltenheit in einer Zeit, in der auch die Wissenschaft stark von rassistischen und pseudowissenschaftlichen Theorien geprägt war. Die beiden sahen sich erneut mit Vorurteilen und Ausgrenzung konfrontiert, sowohl durch Lehrende als auch durch das akademische Umfeld selbst.

Umso bedeutender ist ihr gemeinsamer Erfolg: 1942 wurde Kenneth Clark der erste Afroamerikaner, der an der Columbia University einen Doktortitel in Psychologie erhielt – und nur ein Jahr später folgte Mamie Phipps Clark als erste afroamerikanische Frau mit demselben akademischen Grad an dieser Universität. Ein Meilenstein – nicht nur für sie persönlich, sondern auch für die afroamerikanische Gemeinschaft und die Geschichte der Psychologie in den USA.

Weiterer Lebensweg

Trotz ihres Doktortitels musste Mamie Phipps Clark schnell erkennen, dass es für eine Schwarze Frau mit akademischer Höchstqualifikation in der Psychologie im New York der 1940er-Jahre kaum berufliche Perspektiven gab. Sie galt als unerwünschte Ausnahme in einem Feld, das nach wie vor Weißen Männern – und zunehmend auch Weißen Frauen – vorbehalten war. Viele von ihnen erhielten gut bezahlte Positionen, obwohl sie deutlich weniger qualifiziert waren. Mamie hingegen blieb zunächst nur die Arbeit in Bereichen, die sie persönlich als wenig erfüllend empfand – etwa in der Datenanalyse oder als Forschungspsychologin beim Militär.

Northside Center for Child Development

Erst 1946 fand sie eine Aufgabe, die sie wirklich erfüllte. Sie wurde Psychologin in einer privaten Einrichtung zum Schutz obdachloser afroamerikanischer Mädchen. Dort erkannte sie mit wachsender Dringlichkeit, wie groß der Mangel an psychologischer Unterstützung für Kinder aus Minderheiten war. Gemeinsam mit Kenneth gründete sie noch im selben Jahr das Northside Testing and Consultation Center – das erste Zentrum für psychische Gesundheit speziell für afroamerikanische Kinder und Familien in New York City, später bekannt als Northside Center for Child Development.

Das Zentrum bot:

  • psychologische Diagnostik,
  • psychiatrische Betreuung,
  • soziale sowie akademische Förderangebote für Kinder aus Harlem und anderen benachteiligten Vierteln.

Darüber hinaus entwickelte es sich zu einem wichtigen Ort des sozialen Engagements und der Interessenvertretung für die afroamerikanische Gemeinschaft. Mamie Phipps Clark leitete das Northside Center als Geschäftsführerin von der Gründung 1946 bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1979. Die Einrichtung besteht bis heute fort und trägt weiterhin ihre Vision.

Mamie Phipps Clark verstarb am 11. August 1983 in ihrem Haus in New York City.

2024 wurde sie posthum in die Arkansas Black Hall of Fame aufgenommen – eine späte, aber verdiente Ehrung für ihr lebenslanges Engagement für Gleichberechtigung, psychische Gesundheit und soziale Gerechtigkeit.

Quellen:

Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Ausbildungen zum Heilpraktiker für Psychotherapie:

Dieser Beitrag wurde von Katharina Scholz, Dozentin für die Ausbildung Heilpraktiker Psychotherapie an der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig, verfasst.