Nein sagen erfordert Ja sagen – Wie komme ich da hin?

Nein sagen erfordert Ja sagen – Wie komme ich da hin?

Nein sagen erfordert Ja sagen – Wie komme ich da hin?

Nein sagen erfordert Ja sagen – Wie komme ich da hin?

„Du musst echt mal lernen, Nein zu sagen!“ Ein Satz, den viele schon gehört haben. Was hat es denn mit diesem Nein-Sagen auf sich? Wieso ist es wichtig und warum hat Nein sagen viel mit Ja sagen zu tun?

Im Zustand gesunder Abgrenzung – den leider viele von uns während der Kindheit verlernen – sind wir in der Lage, unsere Bedürfnisse wahrzunehmen und uns gesund abzugrenzen. Das Nein der Autonomiephase war über Generationen hinweg vielen Erziehenden ein Dorn im Auge. Die pädagogische Maxime war über lange Zeit, die Kinder klein zu machen und zu beengen, damit sie taugliche Erwachsene werden würden. Sie sollten sich einfügen und anpassen. Zu einem Teil sind das sicherlich für unser Zusammenleben wichtige Fähigkeiten. Wenn sie mit Maß gelebt werden. Leider begegneten vielen von uns rigide Vorstellungen davon, was wir zu sein, zu tun oder zu lassen haben. Und als Erwachsene fällt es vielen schwer, die individuellen Grenzen zu ziehen. Dies ist ein gesellschaftliches Phänomen und wohl jeder kennt Situationen, in denen hier Konflikte auftreten. Und dabei wäre es – rein theoretisch – so einfach:

Wir erhalten eine Einladung oder jemand bittet uns um etwas, wir spüren daraufhin in uns hinein und entscheiden achtsam. Das klingt gut und auch ein bisschen unrealistisch? Das ist es wohl auch.

In der Realität fühlen wir uns alle oftmals zu etwas gezwungen, antizipieren die Reaktionen des Gegenübers, wollen zudem geliebt werden, treiben uns selbst an und „ziehen es durch“. Wir sagen eben nicht ruhig und selbstbewusst Nein. Das Ganze macht uns ein schlechtes Gewissen.

Und: es bringt oftmals heftige Glaubenssätze in uns zum Klingen:

  • „Sei nicht egoistisch!“
  • „Du darfst nicht an dich denken!“
  • „Die anderen gehen vor!“
  • „Stell dich nicht so an!“
  • „Wenn du Nein sagst, denken die anderen schlecht über dich.“

Glaubenssätze – Nutzen und Last

Jeder Glaubenssatz hat eine Geschichte, ist Teil der individuellen Biografie und zugleich sind sie sich ähnlich. Oftmals sind es Erziehungsinhalte, allgemein weitergegebene Gesellschaftsregeln und Teile unseres Selbstbilds.

In dem Moment, ich dem als Person entscheide, den Wunsch eines anderen abzuschlagen oder mein Bedürfnis über das eines anderen zu stellen, entsteht ein Konfliktpotential. Im Laufe unserer menschlichen Entwicklung lernten wir, Konflikten aus dem Weg zu gehen: Immerhin bergen sie eine Gefahr für Leib und Leben.

Daher kreierte die Gesellschaft Glaubenssätze. Und diese veränderten sich mit den Zeiten. Einige althergebrachte Glaubenssätze lauten:

  • „Sexualität ist für Frauen abstoßend und nur für Männer gemacht.“
  • „Frauen sagen Nein, aber sie meinen Ja.“
  • „Männer weinen nicht.“
  • „Kinder brauchen körperliche Gewalt, um zu guten Erwachsenen zu werden.“
  • „Der König ist mehr wert als andere Menschen.“
  • „Eine Krankheit ist die Strafe Gottes.“

Ich habe diese provokanten Sätze bewusst gewählt: Sie verdeutlichen am besten, wie wichtig eine Überprüfung dieser Aussagen ist und noch wichtiger – eine Aktualisierung.

Und das gilt auch für unsere eigenen, individuellen Glaubenssätze.

Und zugleich hatten sie in ihren Entstehungszeiten wichtige Funktionen: Frauen, die sich enthaltsam verhielten, wurden nicht ungewollt schwanger und gerieten dadurch auch nicht in Not. Also sprach man ihnen die Lust auf die Lust ab und versuchte somit, ein gravierendes und durchaus lebensbedrohliches Problem zu lösen. Glaubenssätze sind also nicht per se etwas Schlechtes.

Wie komme ich vom Ja zum Nein und andersherum?

Kurz gesagt: Durch Selbstwahrnehmung und -akzeptanz. Sie müssen wissen, was Sie spüren und was sie brauchen. Und dies ruft oft schon die inneren Sätze auf den Plan. Hier gilt es, diese ruhig zu betrachten und gegebenenfalls umzuwandeln. Ja, man kann und darf mit sich selbst diskutieren.

Zum Beispiel: „Die anderen gehen vor! Nimm dich zurück!“ könnte die folgende Gegenrede brauchen: „Wenn die anderen immer vorgehen, dann komme ich zum Schluss. Das ist irgendwann sehr schädlich für mich. Wenn es mir aber schlecht geht, dann kann ich für diese wichtigen anderen Menschen gar nicht mehr hilfreich sein.“

Noch angenehmer ist es sicherlich, wenn man Folgendes sagen kann: „Ich möchte diese Grenze bewusst ziehen, weil sie mir guttut. Daher sage ich Nein.“

Wer sich dauernd zum Ja zwingt, spürt seine Grenzen irgendwann nicht mehr. Daher ist es wichtig, diese erst einmal wieder wahrzunehmen. Danach kommt eine Phase, in der man seine eigenen Grenzen und Bedürfnisse annimmt und akzeptiert. Anschließend kann man ein gesundes Nein-Sagen entwickeln.

Und um nicht in einer Art Schleife aus Abwehr zu landen, ist auch das Ja wichtig.

Ein Ja hat sehr viel Energie – denken Sie einmal an den berühmtesten Moment, in dem es oft gesagt wird: bei einer Eheschließung.

Erinnern Sie sich an all jene Augenblicke Ihres Lebens, in denen Sie aus vollem Herzen Ja gesagt haben und spüren Sie die Tragweite dieser zwei Buchstaben. Finden Sie heraus, was Sie brauchen und schauen dann, wie sie es erhalten können.

Oder suchen Sie einen guten Kompromiss:

  • „Heute Abend bin ich leider zu erschöpft für ein Treffen, aber hast du am kommenden Dienstag Zeit?“
  • „Leider kann ich durch meine Rückenschmerzen nicht gut beim Umzug helfen, aber gerne komme ich hinterher zu dir und räume mit dir deine Sachen ein.“

Wer Ja sagt, empfindet Weite, Fülle und Freiheit. Wer Nein sagt, ebenfalls. Die Freiheit, über sich und sein Tun zu entscheiden, ist eines der höchsten Güter im Zusammenleben. Selbstbestimmt Ja und Nein sagen zu können ist für uns maßgeblich wichtig.

Kleiner Umweg: Die innere Abwehr auch mal austricksen

In der Abwehr-Schleife sind übrigens oftmals Mütter (manchmal auch Väter) gefangen: Sie sind irgendwann nur noch müde, gestresst und finden keine Lust in sich, um mit den Kindern etwas Produktives zu machen. An dieser Stelle hilft es oft, sich ein inneres Konto anzulegen und zuerst Ja zu sagen, um dann ohne schlechtes Gewissen Nein sagen zu können:

Machen Sie etwas Kurzes – ein kleines Spiel oder eine kurze Unternehmung. Danach können Sie sich zurückziehen und Kraft schöpfen. Oft ist es dann so, dass man bereits aus der gemeinsamen Zeit Kraft gewinnt und die Erholung danach noch viel intensiver und gesünder wirken kann.

Sich den inneren Sätzen nicht gehorsam zu beugen ist wichtig – gehen Sie ruhig in eine innere Diskussion mit ihnen. Sie entstanden aus einem bestimmten Grund und hatten einen Sinn. Wenn sie aber zur Belastung werden, dann verabschieden Sie sich von Ihnen.

Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Heilpraktikerausbildungen:

Dieser Artikel wurde von Saskia Epler für die Deutsche Heilpraktikerschule Mülheim / Ruhr verfasst.

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