Wegbereiterinnen der Psychologie und Psychotherapie – Teil 1: Ruth Cohn: Wenn ich an Wegbereiter und Wegbereiterinnen in diesem Bereich denke, dann kommen mir sofort Freud, Jung, Adler und so weiter in den Kopf. Und ja, sie waren auch große Wegbereiter, jedoch nicht die einzigen. In der Vergangenheit wurden Frauen aufgrund der gesellschaftlichen Stellung eher unterrepräsentiert. Deshalb möchte ich Ihnen in diesem Jahr mit meiner Blogreihe die ein oder andere bekanntere wie unbekanntere Wegbereiterin der Psychologie und Psychotherapie vorstellen und uns diese wundervollen und starken Frauen wieder ins Gedächtnis rufen.
In diesem ersten Beitrag widmen wir uns Ruth Cohn, Vertreterin der humanistischen und psychodynamischen Psychologie sowie Begründerin der Themenzentrierten Interaktion (TZI).
Ruth Cohn
„Ich möchte Menschen, die all dieses Leid nicht wollen, ermutigen, nicht zu resignieren und sich ohnmächtig zu fühlen, sondern ihre Vorstellungskräfte und Handlungsvermögen einzusetzen, um sich solidarisch zu erklären und zu verhalten, solange wir selbst noch autonome Kräfte in uns spüren. – Das ist das Eigentliche, was ich mit TZI möchte.“ Ruth C. Cohn
Kindheit und Studienzeit
Ruth Charlotte Cohn wird am 27. August 1912 in Berlin geboren. Obwohl sie selbst aus wohlhabenderen Verhältnissen stammt, empfand sie schon als Kind gesellschaftliche Unterschiede als etwas Ungerechtes.
1931 begann sie, Nationalökonomie und Psychologie an den Universitäten Berlin und Heidelberg zu studieren. Dort erlebte sie als Jüdin erstmals direkte antisemitische Gewalt. Im Jahr 1933 floh Ruth C. Cohn dann in die Schweiz, genauer gesagt nach Zürich. Dort studierte sie an der Universität Zürich Psychologie im Hauptfach sowie im Nebenfach vorklinische Medizin und Psychiatrie; zusätzlich studierte sie noch Pädagogik, Theologie, Literatur und Philosophie und machte eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin in der Internationalen Gesellschaft für Psychoanalyse.
Zu dieser Zeit setzte sie sich weiterhin intensiv mit dem Thema Ungerechtigkeit und den Konflikten zwischen Menschen auseinander und überlegte, wie sie dazu beitragen könnte, etwas daran zu verändern. Als die Schweiz auch kein sicheres Land mehr für sie war, emigrierte sie 1941 in die USA. Wieder musste sie sich neu zurechtfinden und schauen, wie sie jetzt weitermacht. Und das tat sie.
Sie begann 1941 noch eine Ausbildung in Early Childhood Progressive Education an der Bankstreet School (später College) in New York City. Des Weiteren beschäftigte sie sich mit verschiedensten psychotherapeutischen Studien und machte ihren Master’s Degree (M.A.) und Abschluss als Diplompsychologin.
Therapie- und Lehrtätigkeiten
1946 bis 1972 hatte sie eine private psychotherapeutische Praxis in New York City, war beim Aufbau der National Psychological Association for Psychoanalysis beteiligt, machte eine Ausbildung in Gruppentherapie und initiiert 1955 einen Workshop zum Thema „Gegenübertragung“, dessen Methodik zum Ausgangspunkt für die Themenzentrierten Interaktion (TZI) wurde. Sie übernahm auch 1957 bis 1973 eine Lehrtätigkeit am Center for Psychotherapy (später Center for Mental Health) in der Abteilung Gruppentherapie.
Stück für Stück entfernte sie sich jedoch von der klassischen Psychoanalyse hin zur Erlebnistherapie. Sie begann in Gruppentherapiesettings, die sie als Therapeutin leitete, ihre eigenen Erlebnisse zu erzählen und stellte sich auf Augenhöhe mit den Teilnehmenden. Dies war damals etwas Neues.
Ab 1962 war sie ein aktives Mitglied der American Academy of Psychotherapie und traf sich mit Vertretern neuer und klassischer psychotherapeutischer Methoden, wie z. B. Carl Rogers, Virginia Satir oder auch Firtz Perls, bei dem sie später eine Zusatzausbildung in Gestalttherapie macht.
Die Themenzentrierte Interaktion (TZI)
Ruth C. Cohn gilt mit als eine der einflussreichsten Vertreter und Vertreterinnen der humanistischen und der psychodynamischen Psychologie und begründet als Teil der Bewegung der humanistischen Psychologie die Themenzentrierte Interaktion, kurz TZI.
Dies ist ein Konzept, das den Fokus von der Einzelperson mit dem Fokus auf die Gruppe und vor allem auf ein Thema verbindet. Sie wollte etwas verändern. Menschen in Kommunikation bringen, miteinander statt gegeneinander. Es geht darum, dass die Einzelperson genauso wichtig ist wie alle, dass alle so wichtig sind wie die Sache und die Sache so wichtig ist wie der Ort, die Zeit und die Situation, in der eine Gruppe sich trifft. Dies symbolisiert auch das Dreieck mit dem Kreis, welches für die TZI steht.
Abbildung: TZI-Dreieck
Kurz gesagt bedeutet die themenzentrierte Interaktion, sich gemeinsam ganzheitlich auf ein Thema zu konzentrieren und einander wahrzunehmen. Ende der 60er-Jahre kam Ruth C. Cohn wieder nach Europa und brachte die TZI mit nach Deutschland, wo sie in dieser Zeit sehr viel Beachtung fand.
Auszeichnungen
In den darauffolgenden Jahren bekam sie einige Auszeichnungen, darunter:
- Psychologist of the Year Award,
- Auszeichnung der New York Society for Clinical Psychology
- und die Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr. phil. h. c.) der Psychologischen Fakultät der Universität Hamburg.
Am 30. Januar 2010 verstarb Ruth Cohn in Düsseldorf.
Quellen:
Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Ausbildungen zum Heilpraktiker für Psychotherapie:
Dieser Beitrag wurde von Katharina Scholz, Dozentin für die Ausbildung Heilpraktiker Psychotherapie an der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig, verfasst.