Süchte der modernen Zeit – Teil 2: Gaming

Süchte der modernen Zeit – Teil 2: Gaming

Süchte der modernen Zeit – Teil 2: Gaming: Was Sucht ist und welche Arten es gibt, haben Sie bereits im Teil 1 unserer Beitragsreihe erfahren. In diesem Beitrag widmen wir uns einer modernen Suchtform, die besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer häufiger auftritt: der Computerspiel- bzw. Gamingsucht.

Während viele Menschen Gaming als harmloses oder entspannendes Hobby nutzen, kann das Spielverhalten bei einigen Betroffenen außer Kontrolle geraten – mit weitreichenden Folgen für Alltag, Gesundheit und soziale Beziehungen.

Was ist Gamingsucht?

Die WHO hat 2019 die sogenannte „Gaming Disorder“ offiziell als psychische Störung in die ICD-11 aufgenommen. Damit wurde anerkannt, dass exzessives und dysfunktionales Spielen einen Krankheitswert haben kann.

Wichtige Kriterien für eine Diagnose sind:

  • eine eingeschränkte Kontrolle über das Spielverhalten (Beginn, Häufigkeit, Intensität, Dauer, Beendigung)
  • Vorrang des Spielens gegenüber anderen Aktivitäten
  • Interessenverlust
  • Fortsetzung oder Eskalation des Spielens trotz negativer Konsequenzen.

Diese Verhaltensmuster müssen über mindestens zwölf Monate bestehen und deutliche Einschränkungen im sozialen, schulischen, beruflichen oder familiären Bereich verursachen.

Warum kann Gaming süchtig machen?

Die Konsolenspiele sind heutzutage oft so entwickelt, dass sie besonders stark auf unser Belohnungssystem wirken:

  • Levelsysteme, Errungenschaften, Punkte, soziale Anerkennung im Spiel
  • Belohnung durch Fortschritt und das Gefühl von Erfolg
  • ständige Verfügbarkeit (Smartphone, Konsole, PC, Online-Multiplayer rund um die Uhr).

Dabei spielt der Glücksbotenstoff Dopamin eine zentrale Rolle. Das Gehirn verknüpft bestimmte Spielreize mit einer positiven Stimmung – eine klassische konditionierte Reaktion, die zu einem starken Craving führen kann. Craving ist das unkontrollierte Verlangen nach einer Substanz oder Sache.

Wer ist besonders gefährdet?

Nicht jeder, der viel spielt, ist gleich süchtig. Aber gewisse Risikofaktoren können die Wahrscheinlichkeit einer Störung erhöhen. Dazu zählen z. B.:

  • ein geringes Selbstwertgefühl
  • soziale Unsicherheit oder Isolation
  • Schwierigkeiten im Umgang mit Stress
  • Depressionen oder Angststörungen
  • familiäre Konflikte oder mangelnde Kontrolle durch Bezugspersonen.

Gerade in Phasen von Orientierungslosigkeit, Einsamkeit oder Überforderung kann das Eintauchen in Spielwelten als Fluchtstrategie dienen – weg von der Realität, hinein in eine kontrollierbare, strukturierte virtuelle Welt.

Welche Spiele haben besonders hohes Suchtpotenzial?

Nicht jedes Spiel birgt das gleiche Risiko für eine Abhängigkeitsentwicklung. Besonders riskant sind Games, die auf dauerhafte Belohnungssysteme, soziale Interaktionen oder kontinuierliches Weltgestalten setzen. Dazu gehören u. a.:

  • Online-Rollenspiele: immersive Spielwelten, Charakterentwicklung, Gruppenbindung und permanente Fortschrittssysteme
  • Shooter-Games wie das beliebte Spiel „Fortnite“: kurze, intensive Runden mit sofortigem Belohnungserleben und Konkurrenzdruck
  • mobile Games mit In-App-Käufen: Belohnungen durch tägliches Einloggen, Zeitdruck, Glücksprinzip
  • Lebenssimulationen wie „Die Sims“: ermöglichen das Erschaffen und Kontrollieren eines „perfekten“ Lebens, oft als Flucht aus einer als belastend empfundenen Realität. Besonders in Online-Versionen oder durch den ständigen Ausbau der Spielwelt kann ein starker Drang entstehen, immer weiter zu gestalten, zu optimieren oder ungelöste Themen aus dem realen Leben symbolisch zu verarbeiten.

Diese Spiele nutzen häufig psychologische Mechanismen wie unvorhersehbare Belohnungen oder fördern einen starken emotionalen Aufwand in virtuellen Welten. Das kann gerade bei Personen mit hoher Stressbelastung, geringem Selbstwert oder sozialer Unsicherheit zur Entwicklung einer suchtähnlichen Bindung führen.

Warnzeichen für Betroffene & Angehörige

Typische Hinweise auf problematisches Spielverhalten sind:

  • der Rückzug aus sozialen Kontakten
  • das Nachlassen schulischer oder beruflicher Leistungen
  • Gereiztheit oder Aggressivität bei Spielunterbrechung
  • Schlafmangel, Vernachlässigung von Hygiene und Ernährung
  • Lügen über Spieldauer oder Onlinezeit.

Was hilft bei Gamingsucht?

Um mit Gamingsucht umzugehen oder auch präventiv einen gesunden Umgang mit digitalen Spielen zu fördern, können folgende Maßnahmen hilfreich sein:

  • Selbstbeobachtung und ehrliche Reflexion über das eigene Verhalten
  • klare Regelungen und Spielzeiten begrenzen
  • Förderung von alternativen Hobbys und realen sozialen Kontakten
  • bei starker Beeinträchtigung: Beratung oder psychotherapeutische Unterstützung.

Vorschau auf Teil 3 der Beitragsreihe: Im nächsten Teil schauen wir uns eine weit verbreitete, aber oft unterschätzte Sucht an: die Koffeinabhängigkeit. Wie beeinflusst der Konsum von Kaffee und anderen koffeinhaltigen Getränken unsere Gesundheit und wie steht unsere Gesellschaft zu dieser Form der Abhängigkeit?

Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Heilpraktikerausbildungen:

Dieser Beitrag wurde von Saskia Ewers verfasst. Sie ist stellvertretende Schulleiterin, Koordinatorin und Dozentin der Deutschen Heilpraktikerschule Mülheim/Ruhr, zertifizierte Psychologische Beraterin, Kinder-, Jugend- und Familienberaterin, Schematherapeutin und Entspannungspädagogin sowie Pädagogische Fachkraft in der Inklusion.