Mentales Training – wie Sportpsychologie die Leistung beeinflusst: Die Fußball-Europameisterschaft 2024 ist bereits in vollem Gange. Während die Fans die taktischen Manöver und athletischen Spitzenleistungen ihrer Lieblingsteams bewundern, spielt sich ein bedeutender Teil des Wettkampfs jedoch fernab des Spielfeldes ab, nämlich in den Köpfen der Sportler.
Mentales Training hat sich über die letzten Jahrzehnte zu einem unverzichtbaren Bestandteil des modernen Hochleistungssports entwickelt. Dabei geht es nicht mehr nur um die physische Leistungssteigerung, sondern zunehmend auch um die Förderung mentaler Stärke und Resilienz. Die Methoden des mentalen Trainings, die nun auch in Bereichen wie Führungskräfte-Coaching und Konfliktmanagement Anwendung finden, könnten den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. In diesem Beitrag beleuchten wir die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des mentalen Trainings, die Verantwortung des Mentaltrainers und Klienten sowie die Inhalte und den Verlauf der Zusammenarbeit.
Mentaltraining
Mentales Training findet seinen Ursprung in der Sportpsychologie und hat sich in den letzten Jahrzehnten aufgrund eines stetig wachsenden Bedarfs weiterentwickelt. Mittlerweile beschränkt sich das mentale Training nicht mehr ausschließlich auf die körperliche Leistungssteigerung von Sportlern, sondern findet mehr und mehr in vielen Bereichen Anwendung, wie z. B.:
- Coaching für Führungskräfte,
- Konfliktmanagement,
- Jobcoaching,
- lösungsfokussiertes Coaching,
- Potenzialentfaltung für Erwachsene,
- Personaltrainer
- sowie Beratung in Sinn- und Lebenskrisen.
Beratung oder Coaching kann man als Oberbegriff für diverse Formen der professionellen psychologischen Unterstützung einer Person sehen und richtet sich an Personen ohne Beeinträchtigungen (keine Störungen mit Krankheitswert).
Sie stellt psychologische Beratungsformen dar, in den jeweils entsprechend unten vereinbarten Themen:
- berufliches Handeln systematisch reflektiert wird,
- Strategien zur Erreichung von Zielen erarbeitet,
- Lösungsansätze zur Bewältigung diverser Anforderungen entwickelt,
- persönliche Ressourcen aktiviert,
- vorhandene Potentiale gesteigert
- und die Handlungs- und sozialen Kompetenzen gefördert werden.
Abklärung Mentales Training oder Therapie
Für Mentales Training gibt es zwar kein verpflichtendes Standesrecht, jedoch kann man immerhin auf schon bestehende gesetzliche Bestimmungen zurückgreifen. Jeder Coach sollte sich daher sowohl nach dem Psychotherapeutengesetz als auch dem Heilpraktikergesetz richten. Darin sind wichtige Berufspflichten verankert, wie die:
- Schweigepflicht
- Aufklärungspflicht
- Dokumentationspflicht
- Fortbildungspflicht.
Gleichfalls lassen sich bestimmte Inhalte ableiten, die ein Coach anwenden darf. Denn bestimmte Verfahren, Methoden oder Techniken sind nur den therapeutischen Berufen vorbehalten.
Wenn der Coach kein Therapeut ist, darf er dementsprechend keine psychischen Krankheiten diagnostizieren oder behandeln. Darüber hinaus sollte aber ein Grundverständnis über die psychischen Vorgänge vorhanden sein. Der Fokus sollte daher mehr auf:
- Gesundheitsförderung,
- Persönlichkeits- und Motivationstrainings
- oder der allgemeinen Lebensberatung.
Grundhaltungen im Mentaltraining
In seiner Grundhaltung sollte sich der Coach neutral verhalten und in seinem beruflichen Handeln keine ideologischen, politischen oder religiös motivierten Interessen vertreten. Neben einer professionellen Haltung und fachlichen Kompetenz erachte ich weitere folgende Einstellungen für erstrebenswert:
Offene Haltung gegenüber dem Klienten
Wie bei jeder Arbeit, macht man Mentaltraining dann am engagiertesten und erfolgreichsten, wenn man Freude dabei hat. Eine Grundhaltung sollte sein, jemanden per se anzuerkennen, wertzuschätzen, anzunehmen und eine persönliche Beziehung mit ihm einzugehen. In dieser Beziehung sind beide gefragt, gefordert und verantwortlich. Um eine Beziehung aufzubauen, bedarf es einer Haltung der Offenheit, Freiwilligkeit und des Interesses.
Sprachkompetenzen
„Man kann nicht nicht kommunizieren.“
Paul Watzlawick
Da Sprache immer auch symbolische Inhalte, implizite Wertungen, Assoziationen und indirekte Informationen transportiert, ist es nicht ausreichend, dass ein Mentaltrainer nur über ein grundlegendes Vokabular und grammatische Kenntnisse verfügt. Auch eine hohe Sensibilität für Sprache ist zentral für das Arbeiten mit dem Klienten. Neben der Sprachkompetenz ist ebenfalls elementar, u. a. auf Sitzhaltung, Gefühle, Reaktionen und Körpersprache beim Klienten zu achten. Eine Vielzahl an Kommunikationstechniken wie z. B. aktives Zuhören, Paraphrasieren und Zielformulierung beeinflussen ebenfalls den Erfolg des Mentaltrainings.
Einfühlungsvermögen
Da viele Prozesse im Inneren des Klienten ablaufen, ist es oftmals für den Klienten hilfreich, wenn der Mentaltrainer die minimalen Anzeichen, Befindlichkeiten und Reaktionsweisen wahrnimmt und angemessen anspricht. Dies baut Vertrauen in den Mentaltrainer auf und der Klient fühlt sich wahrgenommen und verstanden.
Methodenkoffer
Zentrale Verantwortung eines Mentaltrainers ist auch das Strukturieren und Planen des Mentaltrainings. Bevor der eigentliche Prozess beginnt, muss erst einmal klar herausgearbeitet sein:
- wer welches Anliegen hat,
- welche konkreten Ziele bestehen
- und ob überhaupt eine Entscheidung für ein Mentaltraining beim Klienten getroffen wurde.
Klare konsequente Strukturierung ist somit eine unerlässliche Fähigkeit, um eine klare Orientierung geben zu können und gesetzte Ziele zu erreichen. Bei der Klärung der Therapieziele lohnt es sich deshalb, gewünschte Veränderungen auf allen Ebenen zu betrachten. Auch bietet die Arbeit als Mentaltrainer großen Abwechslungsspielraum und Flexibilität. Während des Mentaltrainings können sich Vorstellungen, Ziele und Verhaltensweisen verändern. Daher sollte ein breites Repertoire an Methoden, Verfahren und Übungen vorhanden sein.
Bewahren von Grenzen
Ein bedeutsamer Aspekt ist das Kennen der eigenen Grenzen, die Grenzen der Arbeit sowie die Grenzen des Klienten. Verkennt oder missachtet man diese, läuft man schnell Gefahr, im Rahmen der Tätigkeit Schaden anzurichten oder zu nehmen.
Verantwortung des Mentaltrainers
Der Mentaltrainer sollte dem Klienten die von ihm eingesetzten Methoden und Techniken zu jedem Zeitpunkt des Mentaltraining erläutern und in die Planung mit einbeziehen. Dies schafft Transparenz, Verständnis und Vertrauen.
Insbesondere sollte der Klient darauf hingewiesen werden, dass Mentaltraining eventuell auch eine neue relevante Beziehung in seinem Leben schafft. Der Klient experimentiert häufig mit dem neuen Kontaktverhalten, wodurch die Umgebung ebenfalls zwangsläufig in einen Lernprozess gerät. Dieser kann positive oder negative Auswirkungen haben.
Alle Informationen werden vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Eine Informationsweitergabe an Dritte bedarf der schriftlichen Zustimmung des Klienten.
Über das Mentaltraining wird vom Mentaltrainer ein Protokoll geführt. Die Dokumentation hat zeitnah zu erfolgen, um den Verlauf und den Fortschritt festzuhalten. Dies dient dem Schutz beider Parteien. Auf Verlangen erhält der Klient jederzeit Einsicht in die Protokolle.
Die Auswahl der Methoden sollte sich an den Bedürfnissen und Vorstellungen des Klienten orientieren und bezüglich der Veränderungsziele angepasst werden. Anhand eines verlässlichen Feedbacks seitens des Klienten lassen sich die Beziehung, die Gesprächsatmosphäre und die Ergebnisse verlässlich einschätzen.
Verantwortung des Klienten
Ein Mentaltraining beruht auch auf Kooperation und gegenseitigem Vertrauen. Dafür ist ein freier, aktiver und selbstverantwortlicher Prozess erforderlich. Der Mentaltrainer steht dem Klienten als Prozessbegleiter und als Unterstützung bei eigenen Entscheidungen und Veränderungen zur Seite – die eigentliche Veränderungsarbeit wird vom Klienten geleistet.
Bei einem minderjährigen Klienten hat der Sorgeberechtigte über Krankheiten und Allergien des Kindes den Mentaltrainer zu informieren. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren benötigen eine Einverständniserklärung des/der Sorgeberechtigten.
Inhalte und Verlauf der Zusammenarbeit
Im Erstgespräch wird der Grund des Mentaltrainings exploriert. Ich erachte es für wichtig, abzuklären, ob Coaching oder Therapie erforderlich ist. Anhand des Erstgespräches und später noch mittels eines Anamnesebogens verschafft man sich einen Überblick hinsichtlich des lebensgeschichtlichen Hintergrundes seines Klienten. Dies dient der Vorbereitung auf die Sitzungen. Je mehr Informationen im Vorfeld zur Verfügung stehen, desto besser kann ein individuelles Mentaltraining sowie die Interventionen geplant werden.
Neben der Zielerreichung und einer allgemeinen Grundlagenvermittlung werden mit dem Klienten weitere Fertigkeiten trainiert, die sich nicht nur auf den Sport begrenzen. Dazu zählen z. B. die Entstehung und der Umgang mit Emotionen, Stress, Konzentration, Zielsetzung und einiges mehr. Entspannungs-, Aktivierungs- und Konzentrationsübungen sind ebenfalls Bestandteil des Mentaltrainings und sollen den Klienten zusätzlich unterstützen. Der Mentaltrainer gibt dem Klienten Informationen, Tools und Techniken an die Hand, um sich selbst zu optimieren. Für die Leistung des Athleten ist er nicht verantwortlich.
Der Ablauf eines zwölfwöchigen Mentaltrainings kann durch diese Metastruktur beschrieben werden, wobei dies nur meine Vorgehensweise ist:
- Erstgespräch mit Anamnese, um Vertrauen zwischen Klient und Coach herzustellen und Klärung, ob eine Zusammenarbeit möglich ist
- Ausreichend Zeit für eine detailreiche Erörterung der Problematik
- Zielklärung nach SMART-Methode
- Auswahl passender Interventionen
- Durchführung der Interventionen in mehreren Sitzungen
- Zwischenbilanz ziehen, um etwaige Veränderungen vornehmen zu können
- weitere Durchführung der Interventionen
- Auswertung des Mentaltrainings
- Abschlussgespräch
Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Heilpraktikerausbildungen:
Dieser Beitrag wurde von Enikö Orbán, Geschäftsleiterin Ausbildung der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig, verfasst.
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