Die Schlehe – eine vergessene alte Heilpflanze?

Die Schlehe – eine vergessene alte Heilpflanze?

Die Schlehe – eine vergessene alte Heilpflanze: Wie von tausend weißen Schneeflocken übersät, strotzt die Schlehenhecke voller Kraft dem Licht des Frühlings entgegen. Nun ist es wieder so weit, der dornige Strauch am Wegesrand zeigt sich voller kleiner weißer Blüten. Was für ein Duft! Zart wie seine feinen Blüten strömt er uns schon von Weitem entgegen. Alle Bienen in der Umgebung haben ihn schon entdeckt. Ein „Gesummse und Gebrummse“ tönt aus dem Strauch. Noch vor den Blättern zeigen sich die weißen, kleinen, nach süßherber zarter Bittermandel duftenden Blüten, die so dicht über die ganze Zweiglänge an kurzen Trieben stehen, dass der ganze Strauch weiß übersät ist.

Schlehenblüten in der alten Kräutermedizin

Die Schlehe ist eine alte Heilpflanze, zwar war sie den griechischen oder arabischen Ärzten nicht bekannt – vielleicht, da sie ein typisch mitteleuropäisches Gewächs ist und eher kühlere Lagen liebt – so spielte die Schlehe aber in den Mythen der Germanen und Kelten eine große Rolle. Ihre Blüten und Früchte waren jahrhundertelang Bestandteil der Volksmedizin.

Ganz unromantisch beschreibt Hildegard von Bingen den Schlehdorn in ihrer ‚Physica‘ so:

„Und die Frucht des Schlehdorns, nämlich die Schlehen, süße mit Honig und iss sie oft auf diese Weise, dann wird die Gicht in dir weichen. Aber wer im Magen schwach ist, brate Schlehen […] oder koche sie in Wasser und esse sie oft, dies führt den Unrat und den Schleim vom Magen ab. Und wenn er ihre Kerne mitisst, wird es ihm nicht schaden.“

„Schlehenblüten sind das schuldloseste (= harmloseste) Abführmittel, das es gibt“ – so schrieb der Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp Mitte des 19. Jahrhunderts. In der modernen Kräutermedizin ist sie als Heilpflanze leider in Vergessenheit geraten.

Die Schlehe ist ein Rosengewächs

Die Gewöhnliche Schlehe (Prunus spinosa) gehört zu den Rosengewächsen (Rosaceae) und innerhalb dieser großen Pflanzenfamilie zu den Amygdaleae, den Steinobstgewächsen. Die Gattung Prunus umfasst über 200 Arten. Von der Kirschpflaume über die Zwetschge, Aprikose, Pfirsich bis hin zur Mandel, es gibt unter den botanisch verwandten der Schlehe viele wichtige Obstbäume und Zuchtformen. Wild ist noch die Schlehe, wegen ihrer Dornen und dunklen Rinde auch als Schlehdorn oder Schwarzdorn bezeichnet. Zusammen mit der ihr zum Verwechseln ähnelnden Kirschpflaume (Prunus cerasifera) gilt sie als Elternteil der Kulturpflaume (Prunus domestica). Diese sind jedoch nicht so stachelbewehrt wie der wilde Schlehdorn.

Der Schlehdorn ist ein Frühlingsbote und blüht, noch bevor sich seine Blätter zeigen, schon im März oder im April. Seine leicht nach Bittermandel duftenden, kleinen, fünfzähligen Blüten erinnern an die Blüten des Apfels, der Birne oder auch der Kirschblüten, sind jedoch kleiner und feiner. Im Spätsommer wachsen die kleinen schwarzbläulichen Früchte mit grünem und herb-saurem Fleisch. Sie sind roh kaum genießbar, da sie so gerbstoffreich sind, dass sich im Mund alles zusammenzieht. Traditionell werden sie erst nach dem ersten Frost geerntet, dass sie beim Auftauen dann süßer werden.

Schlehenhecken und der Neuntöter

Die Schlehen sind in der Kulturlandschaft von wichtiger ökologischer Bedeutung, denn im dornigen dichten Schlehengebüsch können sich zahlreiche Tiere verstecken und viele Vögel finden hier ihre Nistmöglichkeiten. Die Dornen dienen dem Neuntöter zum Aufspießen von Insekten.

Schlehenfrüchte enthalten bioaktive Substanzen

In der Erfahrungsheilkunde werden die Blüten bei Erkältungskrankheiten und Magen-Darm-Beschwerden empfohlen. Als wirksame Bestandteile gelten die in ihnen enthaltenen Flavonoide, die als Radikalfänger gelten und antioxidativ wirken. Die Flavonoide gehören zu den Polyphenolen, welche auch als bioaktive Substanzen in Pflanzen bezeichnet werden. Sie kommen in Form von Farbstoffen und als Geschmacksstoffe und Gerbsäuren vor. Dazu enthalten Schlehenfrüchte Fruchtsäuren, Vitamin C und Pektin.

Die in den Schlehenfrüchte enthaltenen großen Gerbstoffmengen (Tannine) wirken adstringierend. Ähnlich wie bei der Ledergerbung sorgen sie dafür, dass sich die Haut zusammenzieht – in dem Fall empfindlichen Schleimhäute im Mund und Magen-Darm-Trakt – und dadurch unempfindlicher wird für das Eindringen schädlicher Stoffe. Durch die Koagulation von Eiweißstoffen können sie auch Bakterien und Viren in ihrer Aktivität bremsen.

Schlehe und ihre Verwendung in der Phytotherapie

Leider gibt es bisher keine anerkannte Verwendung in der Phytotherapie. Die im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums arbeitende Kommission E, die wissenschaftlichen Erkenntnisse von über 380 pflanzliche Arzneidrogen (der Begriff „Droge“ kommt hier von getrockneten Pflanzenteilen) zusammentrug, gab den Blüten der Schlehen eine Nullmonografie, da es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über ihre Heilwirkung gibt. Aber es sind auch keine Nebenwirkungen bekannt.

Wissenschaftlich anerkannt ist (bisher) nur die äußerliche Anwendung der Früchte bei leichten Schleimhautentzündungen im Mund- und Rachenraum. Sie helfen bei leichten Entzündungen des Zahnfleisches und bei Zahnfleischbluten. Hierzu können getrocknete Schlehenfrüchte wie Kaugummi gekaut werden.

Quellen:

Dieser Artikel wurde von Ute Mangold verfasst. Sie ist Diplom-Biologin, Kräuter- und Pflanzenexpertin.

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