Lesen als Ressource:
„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“ Jorge Bucay
Ich weiß gar nicht mehr genau wie ich auf das Buch von Jorge Bucay „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ aufmerksam geworden bin. Ich weiß aber, es war in meiner Ausbildungszeit zur Heilpraktikerin für Psychotherapie und ich weiß, dass ich wirklich bei jeder Geschichte einen innerlichen sogenannten „Aha-Moment“ erlebt habe. Ich habe das Buch dann nochmal in dem spanischen Original an eine Freundin verschenkt und ihr ging es genauso.
Die Wirkung des Lesens
Das eingangs erwähnte Zitat ist mir bis heute im Kopf geblieben und ich finde es absolut passend für sein Buch, aber auch als Ressource im Allgemeinen. Denn seit Jahrhunderten schon werden Geschichten erzählt – aus den verschiedensten Gründen, mit den verschiedensten Motiven. Aber eins haben sie alle gleich, wir sollen, dürfen oder können etwas daraus für uns mitnehmen. Etwas das uns die Augen öffnet, uns zum Nachdenken anregt, uns stärkt oder anderweitig voranbringt. Vielleicht hilft uns das Lesen eines Zitates, einer Geschichte oder eines Buches auch einfach, etwas Urlaub von der Realität, einem stressigen Alltag oder von grübelnden Gedanken zu machen.
Beispiele für Geschichten als Ressource
Es gibt Geschichten, die können empowern. Ich habe z. B. meinen Kindern sehr gerne eine Geschichte vorgelesen, in der ein Mensch in jungen Jahren und dann über viele Jahrzehnte hinweg einen ganzen Wald wieder aufgeforstet hat. Es ist angelehnt an eine wahre Geschichte aus Indien und sie fanden es so toll, dass schon ein junger Mensch etwas so Großes und Wertvolles schaffen kann. Gerade Kurzgeschichten und Fabeln bleiben bei vielen als Bilder im Kopf. Etwas, an das wir uns wieder erinnern.
Zum Beispiel gibt es eine schöne Geschichte aus „Das Sams und die Wunschmaschine“, in der es sich zeigt, dass die Wunschmaschine funktioniert, jedoch anders als erhofft. Als sich die Person viel Geld gewünscht hat, kommt zwar viel Geld, aber in verschiedenen Währungen und überall im Zimmer verteilt. Ein paar Euro hier, ein paar Dollar dort und so weiter. Also versucht es die Person nochmal – nun ist der Wunsch etwas genauer. Sie wünscht sich einen Wäschekorb voller Euro. So wie gewünscht, so auch erhalten. Ein Wäschekorb voller Euro-Cent. Die Person war sichtlich enttäuscht und gleichzeitig realisiert sie, dass sie wirklich ganz genau überlegen und beschreiben muss, was sie sich wünscht. Diese Geschichte kann auch super als Einstieg im Beratungs- oder Therapiekontext genutzt werden, denn auch hier ist es wichtig, anfangs zu erörtern, was das genaue Ziel der Beratung/Therapie sein soll, damit es auch wirklich zielführend ist.
- Welche Geschichte haben Sie noch in Erinnerung?
- Was macht diese Geschichte mit Ihnen?
Durch Lesen Wissen aneignen
Manchmal ist mir – und ich denke auch anderen – gar nicht wirklich bewusst, welche förderliche Ressource das Lesen eigentlich ist. Die Menschen, die gut lesen können, denken teilweise gar nicht mehr darüber nach. Wir können uns dadurch Wissen aneignen, das wir für verschiedene Dinge nutzen können.
Menschen die keine (ausreichend) guten Lesekenntnisse haben, weisen eine erhebliche Einschränkung bei der gesellschaftlichen Teilhabe auf. Dies betrifft viele Lebensbereiche, u. a. im Alltag, im Beruf, in der Bildung oder Gesundheit. Umso bewusster wird mir, wie wertvoll diese Ressource für mich ist.
Es gibt zwei wissensorientierte Literaturbereiche, die ich hier kurz nennen möchte. Da gibt es zum Beispiel Fachliteratur, also Bücher, Zeitschriften, Internetartikel etc. die primär zur beruflichen oder akademischen Wissensbildung dienen. Sie ermöglicht es uns Prozesse und Zusammenhänge zu verbildlichen und besser zu verstehen. Wir können Definitionen, Abläufe, Erfahrungsberichte, Statistiken und vieles mehr daraus erhalten, um uns aus- und weiterzubilden.
Auch Sachliteratur ist wissensorientiert und soll primär einen privaten Nutzen haben. Sachbücher behandeln häufig aktuelle Wissensthemen z. B. in den Bereichen Naturwissenschaften, Geschichte, Wirtschaft, Politik und Medizin. Aber auch Biografien gehören in die Kategorie Sachbuch.
- Welches Fach- und/oder Sachbuch hatten Sie als letztes in der Hand?
- Wann war das und worüber?
- Was hat es Ihnen ermöglicht?
Durch Lesen in Verbindung bleiben
Bindung, in Verbindung bleiben. Eins der psychologischen Grundbedürfnisse nach K. Grawe. Klar gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Bedürfnis zu befriedigen. Aber das Lesen von Briefen, E-Mails oder anderweitigen Nachrichtenformen gehört eben auch dazu. Wie schnell können wir heute durch verschiedenste Messanger kurze Updates von uns mit anderen Menschen teilen und somit am Leben der Familienmitglieder oder Freunde teilhaben.
Auch das Vorlesen oder gemeinsame Lesen kann Verbindung schaffen. Als mein älteres Kind in die Schule kam und anfing, Lesen zu lernen, haben wir uns abends (es war eine Hausaufgabe, aber trotzdem nicht weniger wertvoll) immer zusammen ins Bett gekuschelt und vor dem Einschlafen die neuen Sätze gelesen. Es war ein schöner Ausklang des Tages, der uns verbunden hat. Aber auch das Vorlesen von Kurzgeschichten, Witzen etc. bringt uns immer wieder zusammen.
- Welchen Einfluss hat das Lesen im Moment in Ihrer Beziehungsgestaltung mit anderen?
- In welchem Rahmen können Sie sich dadurch mit anderen verbunden fühlen?
Zitate als Ressourcen
Zitate kennen wir alle. Aus meiner Kindheit kenne ich sie vor allem von Geburtstags- oder Grußkarten, später auch von Kondolenzkarten. Sie können aber auch zur Veranschaulichung, als Argumentationshilfe, als Nachweis bestimmter (fachlicher) Informationen oder zum besseren Verständnis einer zitierten Person genutzt werden. Es zeigt sich also, dass Zitate vielfältig sind.
Als ich älter wurde, habe ich mich mehr und mehr mit Zitaten beschäftigt. Ich finde, sie sind zum Teil eine kurze und trotzdem so machtvolle Möglichkeit, verschiedene Emotionen auszulösen oder auch über sich selbst zu reflektieren. Sie können uns auch als Erinnerung im Alltag dienen. In diesem Sinne lasse ich zum Abschluss noch eine weitere kleine Frage und zwei Zitate hier.
- Welches Zitat begleitet Sie?
„Wenn wir nicht länger in der Lage sind, eine Situation zu ändern, sind wir gefordert, uns selbst zu ändern.“ Victor Frankl
„Alles, was uns an anderen missfällt, kann uns zu besserer Selbsterkenntnis führen.“ C. G. Jung
Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Ausbildungen zum Heilpraktiker für Psychotherapie:
Dieser Beitrag wurde von Katharina Scholz, Dozentin für die Ausbildung Heilpraktiker Psychotherapie an der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig, verfasst.
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