Bulimie und Anorexie
Zu den Essstörungen zählen bekannte Verhaltensstörungen, bei denen entweder wie bei der Bulimia nervosa und der Binge Eating Disorder zu viel oder wie bei der Magersucht Anorexia nervosa, zu wenig Nahrung zu sich genommen wird. Gedanken und Gefühle zum Essen bestimmen den Alltag, alles dreht sich um Gewicht und Figur. Nahrung und Sich-Ernähren können dann nicht mehr positiv wahrgenommen werden, Essen wird zu einem Zwang oder einer Verpflichtung. Bei manchen Anorexia-Patienten führt die Sucht, noch ein bisschen weniger zu wiegen, sogar zu einer lebensbedrohlichen Krankheit, die schließlich eine künstliche Ernährung erfordert. Manche Therapeuten sprechen bei diesen Süchten von quantitativen Essstörungen, weil es um die Menge der Nahrung geht.
Orthorexia nervosa – zu viel des Guten?
In den letzten Jahren haben aber viele Menschen einen ganz anderen Blick auf ihr Essen entwickelt. Es geht nicht mehr um die Menge, sondern um die Qualität der aufgenommenen Nahrung. Unter Orthorexia nervosa versteht man ein Ess-Verhalten mit der Absicht, alles beim Essen richtig zu machen, dem Körper nur gesunde und damit hilfreiche Nahrung zuzuführen. Die Vorsilbe „ortho” bedeutet recht oder richtig. Es geht um „gut oder schlecht“, um „darf man oder darf man nicht“. Und hin und wieder entgleitet der Wunsch nach Kontrolle und wird zu einer regelrechten Sucht.
Menschen mit Orthorexia stellen immer neue Regeln auf, wie sie sich richtig ernähren. Es scheint, als würden sie ihren eigenen Ansprüchen, sich perfekt zu ernähren, einfach niemals gerecht werden. Wenn der Genuss dann auf der Strecke bleibt und sich Zwang einstellt, wird es kritisch. Süßes Sündigen? Völlig undenkbar. Mit Freunden grillen, denen eine gute Ernährung nicht so wichtig ist? Geht gar nicht. Langsam aber sicher leidet der Alltag unter den selbstauferlegten Geboten. Wenn es dann auch noch eine Vorgeschichte von Unverträglichkeiten gibt, zum Beispiel von Gluten, Histamin oder Kohlenhydraten – dann muss vieles vermieden werden. Langsam aber sicher entwickelt sich ein Störungsbild, eine qualitative Essstörung. Die Orthorexia ist noch nicht in die internationalen Diagnose-Manuale ICD-10 oder DSM-V aufgenommen worden. Aber die Kriterien für eine Sucht sehen manche Psychologen schon erfüllt: Tagelanges Planen der Mahlzeiten und stundenlange Beschäftigung mit Essen jeden Tag. Verzicht auf Genuss und schlechtes Gewissen. Der Selbstwert ist abhängig von und steigt mit dem Befolgen der richtigen Ernährung. Und zu guter Letzt leiden auch Familie und Freunde unter den zwanghaften Essens- und Zubereitungsritualen.
Sich selbst (wieder) akzeptieren lernen
Eine Therapie kann helfen, das Genießen wieder zu lernen. Sich selbst genießen – mit allen Ecken und Kanten – gehört auch dazu. Es kann sehr schwer sein und ohne Begleitung nicht ohne Weiteres klappen, sich selbst so zu akzeptieren und anzunehmen, wie man eben ist. Doch auch wenn etwas nicht perfekt läuft, sind wir wertvolle Menschen. Buddhistisch perfekt ist ja auch „nur“ 70 – 80 %. Die restlichen 20 % brauchen wir für Spontanes, Hab-ich-nicht-besser-hinbekommen oder Seele-Baumeln-Lassen mit Egal-Stimmung.
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