Vom Wald lernen – Das soziale Netzwerk der Bäume

Vom Wald lernen – Das soziale Netzwerk der Bäume

Unsere Bäume und der Wald sind ein Wunderwerk und ein kostbares Geschenk der Natur. Es sind faszinierende Lebewesen, die wir als solche gar nicht wahrnehmen und noch nicht bzw. nicht mehr hinreichend wertschätzen. Ich habe eine ganz besondere Affinität zu Bäumen. Wenn ich in den Wald gehe, meine ich, in eine andere Welt zu treten. Mich überkommt stets eine große innere Ruhe und Frieden. Ich fühle mich tief verbunden. Alles fühlt sich lebendig und “richtig” an. Mit Demut blicke ich auf diese riesigen majestätischen Bäume und frage mich, was sie zu erzählen hätten…

Ein Baum ist mehr als lebloses Holz

Bäume sind durch und durch soziale Wesen und besitzen eine ihnen eigene Intelligenz und Würde. Sie sind nicht bloß für Menschen beliebig nutzbare “Holzmasse”. Der Wald schafft und verbindet ein einzigartiges und faszinierendes Ökosystem direkt vor unserer Haustür. Die Bäume tun viel für uns Menschen. So können sie die Temperatur im Wald selbst und in heißen Innenstädten senken, die Luft reinigen, Kohlendioxid binden, Sauerstoff produzieren und durch ihre bloße Anwesenheit unsere Seele befrieden und unser Immunsystem stärken.

Wälder sind soziale Gemeinschaften

Unsere Wälder sind komplexe Gemeinschaften, auch wenn es den einen oder anderen Einzelkämpfer geben mag. Die Mitglieder einer natürlichen Waldgemeinschaft unterstützen sich bedingungslos. Sie brauchen einander und helfen sich gegenseitig in Not. Bäume sorgen für die Verteilung von Licht, Nährstoffen oder Wasser. Die Starken beschützen die Schwächeren. Ein einzelner Baum ist kein Wald und ist Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert. Würden sich alle Exemplare nur um sich selbst kümmern, dann würden durch die Todesfälle von anderen Bäumen ein Loch im Kronendach entstehen. Stürme könnten so leichter durch den Wald fegen und gesunde Bäume gefährden. Zudem könnte die Sonne den Boden austrocknen. Darunter würden alle leiden. Jeder Baum ist also wertvoll für die Gemeinschaft und verdient es, solange wie möglich erhalten zu werden. Daher unterstützen Bäume sogar kranke Exemplare und versorgen sie mit Nährstoffen, bis es ihnen wieder besser geht. Beim nächsten Mal ist es vielleicht umgekehrt und der Unterstützerbaum braucht seinerseits Hilfe.

Bedingungslos und im richtigen Maß

Jede Baumart hat ihre eigenen Stärken. Die Bäume wissen genau, dass sie nur friedlich miteinander und im Team stark genug sind, um sich gegen Trockenheit, Stürme und Schädlingsbefall zu schützen. Jede Baumart trägt ihren Teil zum Erhalt eines gesunden Waldes und der Natur bei. Keinem Baum würde einfallen, gegen einen anderen Baum Krieg um Ressourcen zu führen oder ins Unermessliche zu wachsen. Auch giert kein Baum nach Profit, um besser dazustehen als der andere. Hat er seine Höhe erreicht, versorgt er seine Nachbarn mit Humus und Nährstoffen.

Alles ist miteinander verbunden im Wood Wide Web

Forschungen haben ergeben, dass die Waldbäume über ihre Wurzeln ein geradezu freundschaftliches Verhältnis zu Pilzen pflegen, mit denen sie im wahrsten Sinne des Wortes durch dick und dünn gehen. Ähnlich dem menschlichen Nervensystem übermittelt das unterirdische Pilzgeflecht durch biochemische Impulse Informationen und Nachrichten. So könnte man das gigantische unterirdische Netz das Internet des Waldes nennen, über das die Bäume lebenswichtige Informationen austauschen. Forscher nennen es auch das “wood wide web”. Dieses Netz ist die Grundlage für die Kommunikation und gegenseitige Unterstützung im Wald. So warnen Bäume sich bei Gefahren gegenseitig und wehren sich gemeinsam. Natürlich bekommen die Pilze gewissermaßen einen Lohn für ihre Netzwerkarbeit: Die Bäume geben ihnen einen Teil vom Treibstoff Zucker, den sie mit ihren grünen Blättern bei der Photosynthese herstellen.

Auch werden Baumstümpfe, die selbst keine Photosynthese mehr machen können, von anderen Bäumen versorgt. Weil sie, so die Forscher, noch Informationen gespeichert haben, die den anderen Bäumen nützlich sein können.

Ein soziales Netzwerk im ständigen Austausch

Bekannt ist, dass Pflanzen miteinander kommunizieren. Jeder lebende Organismus muss kommunizieren, um zu überleben. Mehr noch – wer überleben will, muss Informationen über Veränderungen aufnehmen, richtig darauf reagieren und schnell daraus lernen. Pflanzen haben zwar keine menschliche Intelligenz, aber sie lösen andere Probleme auf andere Weise, und sie lösen sie sehr geschickt.

Hat ein Baum eine drohende Gefahr wahrgenommen, etwa den Befall durch ein schädliches Insekt, teilt er dies den anderen Bäumen mit. Wird eine Pflanze von einem Insekt angeknabbert, sondert sie Bitterstoffe ab. Diese vertreiben nicht nur den Fressfeind, sondern dienen als Warnsystem für die umliegenden Pflanzen, welche sich darauf ebenfalls gegen den ungebetenen Gast in gleicher Weise wappnen.

Doch das verwurzelte “Baumgeplauder” braucht Zeit. Schneller geht es alternativ über Duftbotschaften (insbesondere Ethylen), die abgesondert und durch den Wind weitergetragen werden, somit ist die restliche Waldgesellschaft gewarnt und kann ihre Verteidigungsmechanismen aktivieren. Auch lassen sich mit den Duftstoffen beispielsweise Feinde ihrer Feinde anlocken.

Baumeltern beschützen ihren Nachwuchs

Natürlich haben Bäume Kinder, die sie liebevoll umsorgen. Sogenannte „Mutterbäume“ (die ältesten und größten Bäume in einem Wald) geben ihr Wissen in Echtzeit an die Sämlinge weiter, die unter ihnen heranwachsen. Und sie schirmen ihre Jungbäume mit ihren ausladenden Kronen ab. Diese lassen nur etwa 3 Prozent des Sonnenlichts durch, um die kleinen Bäume dazu zu bringen, dem Licht entgegen und damit gerade zu wachsen. Durch das dichte Blätterdach der Mutter fällt gerade so viel Sonnenlicht, dass die Kleinen geradeso wachsen können. Alles was sie darüber hinaus an Nährstoffen benötigen, bekommen sie von der Baum-Mama über die Wurzel geliefert. So kann das Wachstum reguliert werden, damit die jungen Bäume langsam groß und damit stark für ein langes Leben werden. Denn wer zu schnell in die Höhe schießt, ist nicht sehr robust und kann den Umwelteinflüssen nicht gut standhalten.

Bäume pflegen Freundschaften

Es gibt „befreundete“ Bäume, die so eng miteinander verbunden sind wie ein Ehepaar. So beispielsweise Buchen, die ihre kräftigen Kronen gern um sich herum ausbreiten. In die Richtung des Freundes aber, lassen sie genug Platz, damit dieser auch atmen und leben kann. Sie breiten sich dann einfach in die anderen drei Richtungen aus. Auch über ihre Wurzeln sind sie miteinander verbunden. Manchmal kommt es vor, dass, wenn einer stirbt oder gefällt wird, der andere auch nicht mehr lange lebt.

Urwald vs. Monokultur

Erstaunlicherweise lassen sich beschriebene Prozesse nur in alten natürlich gewachsenen Wäldern beobachten. Die Baumkulturen heutiger Zeit bestehen aus einzelnen Bäumen und sind oft als Monokultur angelegt – sie verfügen nicht über das so wichtige unterirdische Netzwerk aus Pilzen und Wurzeln. Sie profitieren daher nicht von Nährstoffaustausch und Kommunikation. Die Pflanzungen aus schnell wachsenden Hölzern sind daher deutlich anfälliger als ihre wilden Baumverwandten.

Naturprinzip – soziale Koexistenz 

Der Mensch muss eine sinnvolle Koexistenz mit dem Wald erst wieder lernen. Mit seinen Eingriffen nützt der Mensch den Bäumen kaum und schadet eher viel. Zu viel wollen wir vom Wald und auch zu schnell wollen wir es, als dass der Wald unsere Eingriffe verarbeiten könnte. Wir Menschen können keinen Wald erschaffen! Das schafft nur die Natur. Wir müssen sie nur machen lassen und das braucht Zeit, die wir ihr mit Geduld und Gelassenheit geben sollten, um sie nicht weiter unwissend und achtlos zu schädigen und auszubeuten.

Die Grundlagenforschung belegt inzwischen: Das Soziale ist bei Bäumen stark ausgeprägt. Das ist keineswegs Zufall – es ist ein Naturprinzip! Bei sehr vielen Arten herrscht das Sozial- und nicht das Ellenbogenprinzip. Langfristig gesehen tut Letzteres nämlich niemandem gut.

Was können wir Menschen vom Wald lernen?

Von der verborgenen Welt im Wald können wir Menschen uns eine ganze Menge abschauen: Zum einen Langsamkeit und Entschleunigung. Auch das ist ein Naturprinzip: Wer langsam macht, wird alt. Wer ein schnelles und stressiges Leben führt, hält meist nicht so lange durch und wird eher krank. Zum anderen: Einen respekt- und friedvollen Umgang miteinander und mit allen Lebewesen, soziales Verhalten zum Wohle aller, Bescheidenheit, Selbstfürsorge durch Erhaltung der Lebensgrundlagen, Demut, Güte, Mitgefühl und Liebe. Bäume wissen, was wir Menschen oft vergessen haben: Wir alle sind miteinander verbunden und aufeinander angewiesen.

Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Ausbildungen zum Heilpraktiker für Naturheilkunde:

Dieser Beitrag wurde von Maika Oechel, Geschäftsbereichsleiterin Naturheilkunde der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig, verfasst.

Kommentar verfassen

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.