Prokrastination – Warum wir aufschieben: Jeder hat schon Zeiten mit viel Stress und unerledigten oder immer wieder hintenangestellten Aufgaben erlebt. Prioritäten setzen zu können ist eine wichtige und hilfreiche Eigenschaft. Aber auch Verschieben könnte die richtige Strategie sein, wenn man etwa noch auf Informationen wartet und dann später eine bessere Entscheidung treffen kann. Und man findet auch „Aktive Prokrastinierer“, solche Menschen verschieben zuerst und erledigen dann Dinge „auf den letzten Drücker“. Sie brauchen den Druck und das Adrenalin, um dann genau richtig fertig zu werden.
Bei der „Passiven Prokrastination“ hingegen werden Verschieben und Vermeiden zu stark, man spricht in der Psychotherapie dann von einem Abwehrmechanismus. Unendlich viele kleine unwichtige Handlungen wie Aufräumen oder Bügeln werden einem wichtigen Projekt vorgeschaltet, bis die Zeit nicht mehr reicht oder der Termin verstrichen ist. Spätestens wenn körperliche Symptome wie Verspannungen, Kopf- oder Rückenschmerzen oder sogar funktionelle Darmstörungen wie Durchfall oder Verstopfung bedingt durch das Aufschiebeverhalten auftreten, weiß man, der Körper möchte hier etwas „melden“ und Hinschauen einfordern. Dann hilft eventuell nur noch Therapie.
Prokrastination ist nicht einfach nur Faulheit
Prokrastination kann als Teil einer in der ICD-10 beschriebenen Störung auftreten. Menschen in depressiven Phasen mit Angststörungen oder mangelnder Selbststeuerung wie ADHS-Patienten haben ein erhöhtes Risiko. Auch als Marker für eine Burnout-Gefährdung sollte man zu häufig werdendes Aufschieben ernst nehmen.
Als Faustregel gelten die 50%
Werden nur 50% oder weniger der Aufgaben erledigt? Wird an der Hälfte der zur Verfügung stehenden Tage z.B. nicht gelernt, sondern werden weniger wichtige Dinge erledigt? Ist die Leistung durch Prokrastination zu mindestens 50% eingeschränkt und wurden in den letzten Monaten mehr als 50% der geplanten Projekte nicht umgesetzt oder zu einem Ende gebracht? Zusätzlich kann an mehr als der Hälfte der Tage zudem Widerwille und Abneigung gegen die Tätigkeit oder gar die eigene Person bestehen.
Was also tun gegen Prokrastination?
Wer es nicht mehr allein schafft, kann sich an eine/n Heilpraktiker/in für Psychotherapie wenden und sich in Sachen Verhalten und Selbstwirksamkeit unterstützen lassen. In der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) geht es zunächst einmal darum, die Modalitäten zu explorieren: Wann mache ich das eigentlich? Was ist der eigentliche Stress? Was fördert meine Aufschieberitis? Wo ist mein eigener Anspruch zu hoch? Was lenkt mich ab?
Dann wird systematisch das Arbeitsverhalten verändert. Patienten lernen ihr Zeitmanagement zu verbessern, sich realistischere Ziele und kleinere Arbeits-Häppchen vorzunehmen. Der Impuls etwas aufzuräumen wird sogar nützlich, wenn damit der Schreibtisch freigeräumt und vorbereitet wird. Vielleicht das Handy für die nächsten Stunden in der Schublade oder im Flur parken? Und last but not least: Ein gesundes Abwechseln von Tun und Ausruhen wird ebenfalls etabliert.
Emotionales ernst nehmen
Prokrastination kann auch mit Angst vor Kritik oder Versagen verbunden sein. Dann sollte der Fokus der Therapie oder Psychologischen Begleitung auf der Emotionalen Selbststeuerung liegen. Wer nicht so mutig ist, kann sich seine Ängste zusammen mit einem Therapeuten ansehen und hinterfragen. Werde ich abgelehnt, wenn ich etwas nicht so gut mache? Bin ich raus aus dem Team, wenn ich es nicht rechtzeitig schaffe? Vielleicht stammen die Ängste aus meiner Kindheit, aus der Schulzeit oder einer anderen, längst vergangenen Zeit, wo sie mal hilfreich waren, es jetzt aber nicht mehr sind, sondern eher bremsen und blockieren. Ziel ist es, negative Emotionen zu akzeptieren und ein positives Erleben bei der Erledigung von Aufgaben aus sich selbst heraus entstehen zu lassen, nicht in Abhängigkeit von anderen Menschen. Der Stolz nach einer kleinen Sache, die man geschafft hat, kann ein sehr gesunder Motor sein, auch andere und größere Projekte wieder anzugehen
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Dieser Beitrag wurde von Dr. Bettina Klingner verfasst. Sie ist Dozentin für die Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie an der Deutschen Heilpraktikerschule Aschaffenburg.
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