Paartherapie – Schaffen wir es allein oder brauchen wir Hilfe von außen?

Paartherapie – Schaffen wir es allein oder brauchen wir Hilfe von außen?

Wann sollten Paare zu einer Paartherapie gehen? Die meisten Paardifferenzen entstehen aus Nichtigkeiten. Keiner spricht es an. Es schwelt und wird zum Berg. Dann zum Vulkan mit Ausbruch. Sind Paare erst einmal in diesem Stadium, wird es schwierig, zusammen „an einen Lösungstisch“ zu kommen. Schon gar nicht allein. Ein Mediator ist gefragt.

Ursachen für Konflikte in einer Paarbeziehung

Gehen wir einen Schritt zurück und fragen uns, welche Ursachen diese Situationen haben können. Eine der Hauptursachen liegt oft in mangelnder Kommunikationsfähigkeit. Paare reden über Belangloses, den Alltag doch nicht – oder nur selten. Auch nicht über die wirklich wichtigen Dinge, über das, was sie beide bewegt. Vielleicht:

  • nicht erlernt
  • verlernt
  • aus Angst den Partner zu verletzen
  • weil das Wissen und/oder die Fähigkeit fehlt zu kommunizieren.

Oft beherrschen Konjunktive, Allgemeinheiten wie „man“ unsere Alltagssprache. Wir legen uns nicht fest. Könnte ja zur Lösung führen. Unsere Bedürfnisse zu formulieren? Geht nicht. Oftmals sind auch die wirklichen Bedürfnisse gar nicht bewusst.

Scheidungsgründe entstehen häufiger aus der sprichwörtlichen Zahnpastatube (nicht richtig geschlossen) als aus dem Auseinanderleben. Wobei das eine das andere bedingen kann. Wie schön wäre die Bitte: „Schatz, bitte mach doch die Zahnpastatube zu. Ich empfinde das als zu unaufgeräumt …“ Wahrscheinlich gibt es einen Wunsch des/der Partner*in, der nie geäußert wurde und schon besteht eine WIN-WIN-Situation. Die Beziehungsenergien können wieder fließen.

Verletzungen aus der Kindheit, Kindheitsprogramme, die in das Erwachsenenleben übernommen wurden, sind weitere Gründe, die Energien in einer Beziehung stoppen, z.T. sogar zu einem Energieräuber werden lassen.

Definition und Lösungsansätze eines Konfliktes in der Paartherapie

Die Eskalationsstufen nach Glasl zeigen, wie sich ein lösbarer Konflikt zur nicht mehr lösbaren Eskalation entwickelt.

Definition eines Konflikts nach Glasl

Differenz im Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen, bei dem eine Person bei dem, was sie denkt, fühlt, will eine Beeinträchtigung durch eine andere Person erlebt.

Die Ausgangsbasis – multifaktoriell. Es kann eine Meinungsverschiedenheit sein, unterschiedliche Ansichten, unterschiedliche Bedürfnisse. Sie beruht – wie vorab bereits angedeutet – oftmals in der fehlenden Kommunikation und/oder sich der eigenen Bedürfnisse nicht bewusst zu sein. Der Konflikt wird somit auf einer anderen Ebene ausgetragen, als er tatsächlich besteht. Die Personen fühlen sich beeinträchtigt.

Lösungsansatz eines Konfliktes am Beispiel: Die offene Zahnpastatube

Stufen 1 bis 3: WIN-WIN

1. Stufe: Verhärtung

Der Partner, der sich über die offene Zahnpastatube ärgert, hat dies zu Beginn vielleicht einmal angesprochen, nimmt im Laufe der Zeit die Situation hin, schließt die Zahnpastatube und ärgert sich jedes Mal.

Wirkung im Denken: Der/die geht mir langsam auf die Nerven => Person und Verhalten vermischen sich. Wirkung emotional: Ärger.

2. Stufe: Debatte und Polarisierung

Noch steht die Bereitschaft für eine Lösung im Raum. „Ich sollte mal mit ihm/ihr reden.“

Wirkung im Denken: Es entstehen klischeehafte Bilder vom Partner. Wirkung emotional: Klischee und Realität werden vermischt. Ärger und die Wahrnehmung (vermeintlich) fehlender Wertschätzung steigert sich.

3. Stufe: Taten statt Worte

„Dem werde ich es jetzt zeigen! Ich lasse ab sofort …“

Wirkung im Denken: TIT for TAT – Beginn der kleinen Revanche. Wirkung emotional: die Verletzung steigt.

Bis zu diesem Punkt können Paare, sofern sie reflektionsbereit sind, den sich ausbreitenden Konflikt noch selbst lösen.

Voraussetzungen: Der „verletzte“ Partner setzt sich mit seinen Bedürfnissen auseinander. Wofür steht die „offene Zahnpastatube“? Ist mein Bedürfnis Ordnung, Struktur, der Ruf nach Hilfe, da mich der Haushalt überfordert, der Wunsch Dinge gemeinsam – auch unangenehme – zu gestalten …?

Mit der Technik der gewaltfreien Kommunikation und einem wertungsfreien Raum können sowohl Bedürfnis als auch Wunsch für die Lösung angesprochen werden. Ziel hierbei: eine gemeinsame Lösung zu finden. Der Vorteil: Der Partner wird nicht „angeklagt“. Auch seine Bedürfnisse finden einen Raum.

Stufen 4 bis 6: WIN-LOSE

Ab Stufe 4 manifestiert sich die Sichtweise, dass es nur einen Sieger geben kann.

4. Stufe: Images und Koalitionen

Es werden Verbündete gesucht „Liebste Freundin, … siehst Du das nicht auch so …“ Das eigene Bild wird als „besser“ dargestellt. Das Opfer-Täter-Retter-Modell kommt zum Einsatz.

5. Stufe: Gesichtsverlust

Die Sichtweise „Gut“ und „Böse“ verstärkt sich. Den anderen blamieren, drängt sich in den Vordergrund. „Der/die ist nicht mal in der Lage … zu tun. Wäre ich nicht so tolerant …“

6. Stufe: Drohstrategien

Verstärkt werden Konsequenzen, Emotionen, die das eigene Handeln bewirken, ausgeblendet. Drohungen lenken von der eigenen Ohnmacht, Lösungen in friedvoller Weise anzugehen, ab. „Wenn Du nicht … trenne ich mich … ziehe ich aus … Wie willst Du unsere Kinder erziehen, wenn Du nicht mal in der Lage bist …“

Stufen 7 bis 9: LOSE-LOSE

Die Stufen 7 bis 9 enden im gemeinsamen Abgrund LOSE-LOSE. Die mentalen Auswirkungen sind Blockadehaltungen. Emotionale Verhärtung zum „Schutz der eigenen Verletzbarkeit“ werden aufgebaut. Körperliche Auswirkungen zeigen sich. Die Endlosschleife – mental => emotional => Körper => mental – ist allein nicht mehr aufzulösen.

7. Stufe: Begrenzte Vernichtungsschläge

„Den mache ich fertig.“ Schaden zufügen durch Diffamierungen im Außen, im Inneren Ignoranz der Person.

8. Stufe: Zersplitterung

„Ich kann nicht mehr zurück.“ Die Fronten sind verhärtet. Die Bereitschaft zu kommunizieren ist gleich Null. Die anfängliche Bereitschaft, dem anderen zuzuhören, ist verloren gegangen.

9. Stufe: Gemeinsam in den Abgrund

Trennung als Lösung mit allen negativen Konsequenzen, die sich aus einer Scheidung ergeben.

Resümee zur Paartherapie

Wann sollen denn nun Paare zu einer Paartherapie gehen?

Sobald die gemeinsame Kommunikation aufhört. Damit fehlt auch die Möglichkeit, eigene Bedürfnisse auszusprechen. Das Gefühl fehlender Wertschätzung, verstärkter Ignoranz kommt auf und die Vorwürfe dem Partner gegenüber steigen. Die Trennung zwischen Person und Verhalten ist nicht mehr möglich.

Das kann bereits in den ersten Stufen der Fall sein. Unabdingbar ist die Bereitschaft, sich mit der Partnerschaft und dem Partner auseinander zu setzen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Ob das Ergebnis eine Fortführung oder eine Auflösung ergibt, ist dabei irrelevant.

Was geschieht, wenn es keine Lösung gibt – im privaten und beruflichen Umfeld?

Indizien für die Unmöglichkeit, gemeinsam eine Lösung zu finden, um Hilfe einer neutralen Person in einer Paartherapie einzuholen, sind:

  • aneinander vorbeireden
  • das Gefühl fehlender Fähigkeit, Denken, Fühlen, Handeln und Wollen des Partners nachvollziehen zu können
  • verstärkt auf der eigenen Sicht bestehen
  • nicht mehr auf das Gesagte des Partners eingehen
  • es entstehen Verletzungen, unabhängig von der Ursache
  • das Gefühl der Bedürfnisignoranz

Diese Situationen betreffen nicht nur Paare, sondern sind in jeglicher Art von Beziehung gleichbedeutend. Meinungsverschiedenheiten können in den beruflichen und privaten Konflikten entstehen. Diese nicht rechtzeitig geklärt, führen zu Eskalationen. Dabei ist es möglich, dass der Konflikt bis zum Ende ausgetragen wird.

Es gibt jedoch auch die Situationen, in denen ein Partner, ohne alle Stufen zu durchlaufen, sich aus der Beziehung löst. Im beruflichen Kontext kann das eine innere Kündigung sein. Es wird nur noch getan, was sein muss oder die Kündigung mit Auflösung des Vertrags beschlossen. Im privaten Umfeld ist es ähnlich: Die Beendigung der Beziehung als Lösung bevor die Situation eskaliert.

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Dieser Beitrag wurde von Ursula Vormwald verfasst.

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