Vergeben und verzeihen – warum das gut für Sie selbst und Ihre Paarbeziehung ist: Wer kennt sie nicht ‒ die Verletzungen und Kränkungen, die in nahezu jeder zwischenmenschlichen Beziehung auftauchen. Manchmal sind es kleine Bemerkungen, die uns länger beschäftigen, als wir zugeben möchten. Manchmal tiefer sitzende Enttäuschungen, die uns noch Wochen, Monate oder sogar Jahre später in bestimmten Momenten noch einholen.
Manche Verletzungen setzen sich fest wie ein Knoten im Bauch oder ein Zerreißen im Herzen. Psychische Verletzungen hinterlassen Spuren – in der Seele und in unseren Beziehungen. Doch wer vergeben kann, heilt nicht nur das Miteinander, sondern auch sich selbst.
Erfahren Sie, was diese inneren Verletzungen psychologisch mit uns machen und wie Sie lernen können, loszulassen.
Was passiert, wenn wir Groll hegen?
Groll ist wie ein unsichtbares Gewicht, das wir unbewusst mit uns tragen. Er entsteht, wenn wir seelisch verletzt werden und den Schmerz nicht verarbeiten können. Statt Frieden zu finden, bleiben wir innerlich im Kampf, werden starr und hart.
Was passiert in unserem Körper und der Psyche?
Aus psychologischer Sicht ist Groll ein Versuch, Kontrolle über eine Verletzung zu behalten. Doch neurobiologisch betrachtet hält er das Nervensystem im Dauerstress:
- Unsere Amygdala (das emotionale Alarmzentrum) ist permanent aktiv.
- Der Körper schüttet Cortisol und Adrenalin aus.
- Der präfrontale Kortex, der für Empathie und Vernunft zuständig ist, wird gehemmt.
- Das Ergebnis: Wir bleiben angespannt, grübeln viel und können uns schwer entspannen.
Chronischer Groll ist also purer Stress, schwächt das Immunsystem, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Beschwerden und begünstigt Depressionen oder Angstzustände.
Der seelische Preis des Nicht-Verzeihens
Wenn wir Groll und Ärger pflegen und hegen, binden wir unsere psychische Energie an die Vergangenheit. Wir wiederholen immer wieder innere Geschichten („Wie konnte er/sie nur …“) und identifizieren uns mit der Rolle des Opfers.
Dies führt langfristig zu:
- emotionaler Erschöpfung und Leere,
- ständigen Wiederholungen und aufleben lassen alter Konflikte,
- Misstrauen und Rückzug
- sowie dem Gefühl, innerlich festzustecken.
Psychologisch gesehen verhindert diese Verbitterung, dass wir in den Zustand echter Selbstwirksamkeit zurückfinden. Statt zu heilen, halten wir uns unbewusst in der Verletzung fest.
Wie Groll Beziehungen verändert
In Paarbeziehungen wirken ständiger Ärger und Verbitterung wie eine unsichtbare Wand. Sie trennen Partner emotional, auch wenn sie äußerlich weiter funktionieren. Vertrauen und Nähe weichen Kontrolle, Kritik oder Schweigen.
Typische Folgen in der Paartherapie-Praxis:
- Alte Verletzungen werden in neuen Konflikten immer wieder mitverhandelt.
- Emotionale Distanz wächst – der Partner wird nicht mehr wirklich „gesehen“.
- Das Sicherheitsgefühl in der Beziehung geht verloren.
- Wenn alte Wunden unversöhnt bleiben, wird ein harmonisches Miteinander sehr schwer.
Vergebung ist kein moralischer Akt – sie ist wichtige emotionale Hygiene und der Weg zur inneren Freiheit
Vergebung bedeutet nicht, Unrecht zu vergessen oder gutzuheißen. Sie bedeutet, den eigenen Schmerz bewusst anzunehmen und sich von der Bindung an die Verletzung zu lösen.
Therapeutisch gesehen ist Vergebung ein Akt der Selbstermächtigung: Sie entscheiden, sich nicht länger über das Leid zu definieren, sondern über Ihr Wachstum.
Studien zeigen, dass Menschen, die vergeben können:
- weniger Stress empfinden,
- körperlich gesünder sind,
- stabilere Beziehungen führen,
- und mehr Lebensfreude erleben.
Vergebung ist also ein Geschenk – an Sie selbst.
Drei praktische Übungen, um vergeben zu lernen
1. Perspektivwechsel – die Sicht des anderen einnehmen
Beschreiben Sie die Situation aus der Sicht der Person, die Sie verletzt hat. Welche Emotionen oder Ängste könnten hinter ihrem Verhalten stehen?
Diese Übung aktiviert Ihre Empathie. Sie erfahren eine andere Sichtweise und lösen die Verengung, die durch die Wut entsteht. Ziel: Verständnis entwickeln, ohne das Verhalten zu rechtfertigen.
2. Der Brief der Befreiung
Nehmen Sie sich Zeit und schreiben Sie einen ehrlichen Brief an die Person. Sie schicken ihn nicht ab! Beschreiben Sie was passiert ist und welche Gefühle Sie hatten. Schreiben Sie Ihre ganze Wut, Verletzung und Ihren Ärger in diesen Brief. Und, … dass Sie bereit sind, den Schmerz loszulassen.
Das Schreiben hilft, Emotionen zu ordnen und das Nervensystem zu beruhigen. Viele Menschen spüren danach ein Gefühl von Erleichterung und Klarheit.
3. Das Loslass-Ritual – symbolisch Frieden schließen
Nehmen Sie einen kleinen Stein und stellen Sie sich vor, er steht für Ihre Verletzungen, Wut und Ihren Ärger. Halten Sie ihn kurz fest, spüren Sie sein Gewicht. Dann legen Sie ihn in die Natur zurück – ins Wasser, in die Erde oder an einen Baum. Atmen Sie tief ein und sagen Sie leise: „Ich lasse los, was mich ärgert und bedrückt. Ich wähle meinen Frieden.“
Rituale wirken stark auf das Unterbewusstsein. Sie geben dem inneren Prozess einen sichtbaren Ausdruck.
Fazit – vergeben heißt, frei werden
Verzeihen ist keine Schwäche, sondern ein bewusster Akt der Heilung. Wer seinen Ärger loslässt, gewinnt innere Ruhe, emotionale Freiheit und tiefere Beziehungskompetenz. In der Paarbeziehung schafft Vergebung die Basis für Vertrauen, Nähe und Wachstum.
„Vergebung verändert nicht die Vergangenheit – aber sie erweitert die Zukunft.“ Paul Boese
Hinweis für den Heilpraktiker: Das Thema Vergebung spielt auch in der naturheilkundlich-psychologischen Arbeit eine zentrale Rolle. Viele körperliche Beschwerden stehen im Zusammenhang mit emotionalen Belastungen. Wer lernt, alten Groll zu lösen, öffnet nicht nur das Herz – sondern auch den Weg zu ganzheitlicher Gesundheit.
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Dieser Beitrag wurde von Sonja Schmidt verfasst. Sie ist Inhaberin der Deutschen Heilpraktikerschule Erlangen.
