Autonomie – eines der wichtigsten Grundbedürfnisse: Wenn ich mir vorstelle, das andere Menschen über mein Leben die Kontrolle haben und ich keine Möglichkeit besitze selbstbestimmt zu handeln, dann wird mir allein bei der Vorstellung dazu schon ganz eng um die Brust und ich merke, wie ich mich in diesem Moment aufrecht hinsetze, tief durchatme und mir meiner Autonomie bewusstwerden möchte. Ich, das ist in diesem Fall eine Person, Mitte 30, welche gerade in einem Café sitzt und an diesem Blogartikel schreibt. Ich kann heute, einem Donnerstagmittag selbst entscheiden, wo ich arbeite, und ich bin mir bewusst, dass diese Art der Selbstbestimmung im Job nicht selbstverständlich ist. Aber es lässt meine anfängliche enge im Brustbereich schlagartig verschwinden. ????
Ich möchte diesen Beitrag dazu nutzen, das Thema Selbstbestimmung einfach mal wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ich habe mich, wie viele andere schon mein ganzes Leben mal mehr, mal weniger bewusst und aktiv mit dem Thema „Autonomie und Selbstbestimmung“ auseinandergesetzt. In meiner Kindheit war ich damit wahrscheinlich am meisten unbewusst konfrontiert und wirklich bewusst möchte ich meinen, habe ich in meiner Zeit als werdende Mama darüber nachgedacht und mich mit meiner Autonomie oder vor allem meiner von mir als fehlend empfundenen Selbstbestimmung auseinandergesetzt.
Aber was genau heißt jetzt eigentlich Autonomie?
Der Begriff autonomía wird von dem griechischen autónomos abgeleitet und bedeutet so viel wie „Eigengesetzlichkeit“. Also die Möglichkeit der Unabhängigkeit, der Selbstbestimmung eines Menschen, eines Paares, einer Familie etc. – generell eines Individuums.
Abhängigkeit vs. Unabhängigkeit
Wenn ich an die Anfänge eines Menschen denke, dann sind wir erst einmal abhängig von unserer sozialen Umwelt. Wir sind darauf angewiesen, physisch und psychisch versorgt zu werden, um überhaupt zu überleben. Im Laufe unserer Entwicklung zum Kleinkind hin bis zu unserem Erwachsenendasein werden wir mehr oder weniger unabhängiger und selbstbestimmter. In welchem Maße diese Selbstbestimmung zustande kommt, ist dabei auch wieder von unserer Umwelt und unserem sozialen System abhängig. Während die einen schon früh selbstbestimmt handeln dürfen/müssen, haben andere Personen ein Umfeld, das sie, aus verschiedensten Motiven heraus, nicht so ganz loslässt.
Die Art wie in unserer Kindheit mit Unabhängigkeit und Selbstbestimmung agiert wird, ob nun vorgelebt oder an uns selbst erfahren, hat großen Einfluss darauf, wie wir später selbst damit umgehen. In der Regel kommt im Laufe unseres Lebens immer wieder eine Zeit (ob im Kleinkindalter, der Jugend, dem Erwachsenenleben), in der wir versuchen, mehr und mehr Autonomie und Unabhängigkeit von unseren Eltern, unserer Herkunftsfamilie, der Gesellschaft zu erlangen, uns mehr als ein selbstbestimmendes Individuum zu sehen, zu fühlen und auch danach zu handeln. Irgendwann kommt dann eine Zeit, in der sich der Prozess wieder wandelt. Je nachdem wie fit wir psychisch und physisch im Alter noch sind und wie unser soziales System aufgebaut ist, kann sich unser Autonomieprozess individuell unterscheiden. Sind die einen noch bis ins hohe Alter fit und unabhängig, können/dürfen andere den Alltag nicht mehr selbstbestimmt organisieren. Das Thema Autonomie begleitet uns also von klein bis groß, von jung bis alt.
Selbstbestimmung und Gesellschaft im Wandel
Wenn ich verschiedenen Generationen in unserer Gesellschaft mal zuhöre, dann fällt mir auf, dass es eine unterschiedliche Sicht auf die Selbstbestimmung zu geben scheint. Gab es in der Vergangenheit eher Zeiten, in denen das ganze System, egal ob Familie, Arbeit, Dorfgemeinschaft, Gesellschaft des Landes im Vordergrund schien, scheint die jüngere Generation eher auf Individualität zu setzten. Die Gesellschaft, die Arbeitswelt, die Sicht auf eigene Bedürfnisse und Lebenszeit ist im Wandel. Mir fällt dabei oft auf, dass die Generationen sich einander kritisieren, anstatt zu versuchen, einander zu verstehen und an der einen oder anderen Stelle zu ergänzen. Ich persönlich bin sehr gespannt, wie dieser Prozess sich weiterentwickelt.
Selbstbestimmung außerhalb der „Norm“
Bevor ich diesen Beitrag beende, ist es mir ein großes Anliegen, auch die Situationen, die sich außerhalb der „Norm“ befinden und trotzdem reichlich sind, mit aufzuzeigen. Situationen:
- in denen Menschen keine/kaum Selbstbestimmung haben oder sie ihnen erlaubt ist.
- die durch Schicksalsschläge wie Unfälle, Krankheiten oder durch rechtliche und/oder soziale Einschränkungen geprägt sind.
- in denen Menschen psychische und/oder physische Unterdrückung und Gewalt erleben (!!! Hilfetelefon bei Gewalt 116 016 !!!).
- oder ein Autonomieprozess gar nicht wirklich stattfinden kann oder nur mit Hindernissen und Einschränkungen verbunden ist und es der Hilfe von außen bedarf. Gerade hier sollte es meiner Meinung nach mehr Sensibilität, Sichtbarkeit und somit auch mehr Unterstützung geben.
Selbstreflexion
Zum Abschluss möchte ich Sie zu einer kleinen Selbstreflexion einladen: Wie steht es um Ihre Selbstbestimmung aktuell?
- Nehmen Sie sich ein leeres Blatt und schreiben Sie in die Mitte das Wort „Selbstbestimmung“ oder „Autonomie“.
- Nun nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und schreiben alles, was Ihnen in den Sinn kommt, auf das Blatt. Das können Gedanken, Bilder, Emotionen etc. sein.
- Stellen Sie sich im Anschluss noch folgende Fragen: Welche Möglichkeiten bestehen im Moment in meinem Leben selbstbestimmt zu handeln? Wie viel Orientierung bietet mir mein Leben zurzeit? Wo stehe ich mit meiner Selbstbestimmung auf einer Skala von 0 bis 10? Was ist zufriedenstellend, wo will ich noch hin, was brauche ich dazu und was ist der erste Schritt?
Quellen:
- https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/autonomie/1809
- https://www.hilfetelefon.de/das-hilfetelefon.html
Hier finden Sie alle Informationen zu unseren Ausbildungen zum Heilpraktiker für Psychotherapie:
Dieser Beitrag wurde von Katharina Scholz, Dozentin für die Ausbildung Heilpraktiker Psychotherapie an der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig, verfasst.
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