Wegbereiterinnen der Naturheilkunde – Teil 3: Johanna Budwig: In diesem dritten Beitrag widmen wir uns Johanna Budwig (1809–2003), eine der erfolgreichsten Wissenschaftlerinnen ihrer Zeit. Sie war Apothekerin, Autorin, Biochemikerin und wurde bekannt durch ihre Öl-Eiweiß-Kost.
„Es ist sehr wichtig, dass der Mensch als Einheit von Körper, Seele und Geist gesehen wird. Welcher Faktor im Augenblick vorrangig wirksam ist, kann sehr unterschiedlich sein. Ich bin heute noch überzeugt, wenn eine Frau ein sehr schlechtes Eheverhältnis hat, Tag für Tag Unterdrückung und Sticheleien von ihrem Mann ertragen muss, dann kann ich ihr auch nicht mit Quark-Leinöl helfen. Alle 3 Faktoren gehören beim Menschsein zusammen.“ Johanna Budwig
Leben, Schulbildung und Studium
Johanna Budwig wurde am 30.09.1908 in Essen als Tochter von Elisabeth und Hermann Budwig geboren. Nach dem Tod ihrer Mutter 1920 wird Johanna von ihrem Vater in staatliche Hände gegeben. Dies ermöglichte ihr, ein städtisches Gymnasium zu besuchen, da ihr das Schulgeld erlassen wurde.
Ihr großes Ziel war es, Forscherin und Erfinderin zu werden. Dafür, das erkannte Johanna frühzeitig, benötigte sie eine erstklassige Ausbildung. Somit entschied sie sich 1925, einem Orden in Kaiserswerth als Diakonissenschülerin beizutreten. Mit ihrer herausragenden Auffassungsgabe machte sie hier auf sich aufmerksam und wurde dadurch schnell von der Probe- zur Jungschwester ernannt. Daher konnte sie sich nun der Krankenpflege in der Diakonie widmen. Auf Wunsch des Mutterhauses setzte Johanna ihre Schulbildung fort und legte 1931 ein herausragendes Abitur ab. Am 30.03.1932 erhielt Johanna Budwig die Einsegnung zur Diakonisse.
Im Herbst 1932 begann Johanna in Berlin ihre pharmazeutische Grundausbildung und zwei Jahre später legte sie die pharmazeutische Vorprüfung mit „sehr gut“ ab. Mit diesem Anschluss ebnete sie sich den Weg für das Pharmaziestudium in Königsberg und Münster. 1936 schloss sie das Studium mit dem Staatexamen in Pharmazie und einem Diplom in Chemie ab. Dieses Studium diente ihr schon bald als Fundament für ihre Forschungsarbeit.
Forschungsjahre
Von 1936 bis 1938 arbeitete Johanna Budwig als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pharmazie und Chemische Technologie der Uni Münster bei Prof. Dr. Kaufmann, der damals als „Fett-Papst“ bekannt war und das geniale analytische Denken von ihr erkannte. Hier bereitete sie ihre Dissertation vor und promivierte am 03.07.1939 erfolgreich. So erhielt Johanna Budwig den Titel „Doktor der Naturwissenschaften“ der Uni Münster verliehen.
Die approbierte Pharmakologin leitete während des Zweiten Weltkriegs zeitweise die Anstaltsapotheke der Diakonissen in Kaiserswerth. Später arbeitete sie unter Kaufmann im von ihm gegründeten Chemischen Landesuntersuchungsamt Nordrhein-Westfalen. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag dabei im Bereich der Fettsäuren. Hier konnte sie 1950 als erste Wissenschaftlerin gesicherte Nachweise zur Differenzierung von Fetten in „gesättigte“ und „ungesättigte“ präsentieren.
1951 war sie Obergutachterin für Arzneimittel und Fette im damaligen Deutschen Institut für Fettforschung in Münster. Sie begann mit der Erforschung handelsüblicher Fette. Schon ein Jahr später konnte die Forscherin Versuchsreihen über die Schädlichkeit von Transfetten vorlegen und bestätigen. In der Zeit direkt nach dem Krieg, in der man sich wieder etwas gönnte, die Zeiten von Rationierung und Butterersatz vorbei waren, machte sie sich mit ihren Forschungsergebnissen einige Gegner.
Die offensichtlichen Zusammenhänge von Ernährung und Krankheitsverläufen ließen sie von nun an nicht mehr los. Immer tiefer drang sie in die Materie ein. Für Budwig erschlossen sich plötzlich Erkenntnisse, die in andere Disziplinen übergriffen.
Forschungskritik
Zu diesem Zeitpunkt war Johanna Budwig bereits approbierte Apothekerin, diplomierte Chemikerin und hatte zusätzlich eine Promotion in Physik. Um ihre Forschungsergebnisse medizinisch wissenschaftlich begründen zu können und um eine bessere Anerkennung zu genießen, fing sie 1956 an, Medizin zu studieren. Nach nur einem Jahr belegte sie anhand von Tierversuchen die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf den Organismus. Durch ihr umfangreiches Wissen konnte sie die Erkenntnisse von unterschiedlichen Seiten betrachten und erhielt so Ergebnisse in kürzester Zeit. Dies wiederum führte zu Neid und Unglauben in ihrem wissenschaftlichen Umfeld.
Nach ihrer Veröffentlichung zu den Transfetten informierten sich das Kultusministerium Nordrhein-Westfalen und Finanzbehörden des Landes vertraulich über den bisherigen Lebensweg und die finanzielle Situation Budwigs. Als sie dann noch Kritik an der Margarine-Industrie übte, wandte sich auch ihr bisheriger Mentor Prof. Kaufmann von ihr ab. So kam es, dass Johanna ihr Medizinstudium abbrechen musste.
Entwicklung und Anwendung der Öl-Eiweiß-Kost
Ernährungsform nach Dr. Johanna Budwig
Anhand ihrer bisherigen Erkenntnisse entwickelte sie eine Ernährung, die Krankheiten vorbeugen und heilend auf bereits bestehende Leiden einwirken sollte. Grundlage dieser speziellen Ernährungsform war die Arbeit zur Aufklärung der Zellatmung und Gärungsprozesse, für die Dr. Otto Warburg 1931 den Nobelpreis erhielt.
Die Öl-Eiweiß-Kost ist ein komplettes Ernährungssystem, das dem Organismus alle notwendigen Nahrungsbestandteile zur Verfügung stellen soll, die er zur Gesundung und zum „Gesundbleiben“ benötigt. Durch diese Kost kommen sowohl viele Lebensmittel als auch Gewürze und Kräuter auf den Speiseplan zurück, die vor der Zeit der industriell hergestellten Nahrungsmittel und Kochhilfen vertraut waren. Sie kombiniert Quark und Leinöl, um essenzielle Fettsäuren und schwefelhaltige Aminosäuren bereitzustellen. Der Fokus liegt dabei auf der Zufuhr von Alpha-Linolensäure. Diese Komponenten werden von Organismus für eine gesunde Zellatmung benötigt.
Weiterhin sind im Ernährungsplan frisches Gemüse und Obst, wenn möglich in Bio-Qualität, erlaubt. Als Beilagen dienen Pellkartoffeln, ungeschälter Reis oder Buchweizen. Frische Kräuter und Gewürze bringen Abwechslung in diese Kostform. Als Snacks eigenen sich besonders Nüsse. Als Getränke werden Kräutertees, grüner Tee, Wasser und Direktsäfte aus Obst und Gemüse empfohlen.
Zu den verbotenen Lebensmitteln dieser Ernährungsformen zählen Fleisch- und Wurstwaren, Margarine, jegliche Form von Konserven, Nudeln, Zucker (einschließlich brauner Zucker) und Konditorwaren. Desweitern rät Frau Dr. Budwig vom erneuten Aufwärmen der Speisen ab, weil diese dadurch ihren Wert verlieren.
Anwendung der Öl-Eiweiß-Kost
1966 absolvierte sie dann die Prüfung zur Heilpraktikerin, um endlich Zugang zu Patienten zu bekommen. Nun konnte sie ihre Öl-Eiweiß-Kost anwenden. Sie gewann damit Patienten aus der ganzen Welt und setzte, laut Dankesschreiben, ihre Kostform erfolgreich um. So erzielte sie unter anderem Erfolge in der Behandlung von Demenz und Depression und schrieb diese auch in einer Vielzahl von Büchern nieder.
Da sich auch die Berichte über erstaunliche Erfolge in der Krebsbehandlung durch Einhalten der Öl-Eiweiß-Kost mehrten, die wissenschaftlichen Nachweise jedoch fehlten, wurde sie zur leichten Beute ihrer Kritiker. Sie ließ sich nicht beirren und reiste auf Einladung um die Welt, um ihre Vorträge vor Fachpublikum zu halten.
Als sie 2003 im Alter von 95 Jahren an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs in Freudenstadt verstarb, erlebte sie die Bestätigung ihrer Theorie zur Öl-Eiweiß-Kost mit Hilfe der modernen Wissenschaft leider nicht mehr.
Quellen: