Der Umgang mit Sexualität und sexuellen Störungen im Therapiealltag

Die Dozentin des Fachseminars „Sexualität und psychische Gesundheit“ und Heilpraktikerin für Psychotherapie, bespricht im Folgenden den Umgang mit Sexualität im Therapiealltag einer naturheilkundlichen oder psychotherapeutischen Praxis.

Das Thema Sexualität in der Therapie

Die authentische Einladung, über Sexualität zu sprechen, ist in der Heilpraktikerpraxis sowohl für eine zugewandte therapeutische Ausstrahlung meinerseits als auch für eine gute Behandlungsplanung im Sinne meiner Patient*innen relevant. Sexualität ist kein isolierter Bereich unserer Existenz, sondern ein bedeutender Baustein der Gesundheit, Identität und Persönlichkeit aller Menschen. Von der Geburt an bis zu unserem Lebensende sind wir sexuelle Wesen. Sexualität begleitet uns ein Leben lang – egal ob wir gesund oder krank sind, jung oder alt, behindert werden oder nicht, eine Partnerschaft führen oder nicht, egal, welchen Glauben wir haben oder in welcher Gesellschaft und Kultur wir aufgewachsen sind. Die Menschen, die in meine Praxis kommen, bringen ihre Sexualität also automatisch zu mir mit.

Aufgrund dieser engen Verknüpfung von Sexualität und körperlicher sowie psychischer Verfassung, von Lebensqualität und partnerschaftlicher Zufriedenheit ist es von Belang, dieses Thema in der Anamnese und Befunderhebung mitzuerfassen – auch um die Therapie am ganzen Menschen orientiert zu gestalten.

Welche Fragen ergeben sich an konkreten Fallbeispielen in der Heilpraktikerpraxis?

  • Wie reagiere ich, wenn ich einen Diabetespatienten exploriere und weiß, dass diese Erkrankung Erektionsstörungen verursachen kann, die sich wiederum auf das Erleben der eigenen Männlichkeit auswirken? Erkundige ich mich, ob der Patient Funktionsbeeinträchtigungen erfährt oder mache ich lieber einen Bogen um dieses heikle Thema?
  • Was tue ich, wenn ich eine Frau vor mir sitzen habe, die eigentlich wegen chronischer Schmerzen in meine Praxis kommt und im Erstgespräch wie beiläufig erwähnt, dass sie als Kind missbraucht wurde? Frage ich nach oder unterlasse ich es lieber – die Patientin ist ja ursprünglich wegen eines ganz anderen Anliegens da?
  • Wie gehe ich damit um, wenn mir ein depressiver Patient im Laufe der Therapie berichtet, dass er stark darunter leidet, täglich wie suchtartig stundenlag Pornografie zu konsumieren und sich bislang zu sehr vor mir geschämt hat, dies offenzulegen? Betrachte ich Depressivität und exzessives sexuelles Verhalten zusammen, oder spare ich den Pornokonsum besser aus in der Therapie?
  • Wie gehe ich auf eine Krebspatientin ein, die sich nach einer Mastektomie nicht mehr traut, Sexualität mit ihrem Partner zu leben, weil sie sich nach der Operation entstellt und hässlich fühlt?
  • Was tue ich, wenn mir ein Patient, der mich eingangs anlässlich sozialer Ängste aufgesucht hat, offenbart, dass er sexuelle Fantasien mit Kindern hegt und sich davor fürchtet, andere könnten davon erfahren?

Vor welchen grundsätzlichen Fragen kann der behandelnde Heilpraktiker stehen?

  • Wie kann ich als Heilpraktiker*in, ob naturheilkundlich oder psychotherapeutisch tätig, grundsätzlich auch einen Raum des Sprechens über Sexualität für meine Patient*innen anbieten, in dem ihre Sorgen, Probleme und Ängste in Bezug auf dieses Thema stattfinden können?
  • Wie begegne ich Schamgefühlen und Schulderleben in Bezug auf sexuelles Empfinden und Entfalten?
  • Was ist, wenn ich als Therapeut*in selber Unsicherheit und Unbehagen in Bezug auf Sexualität mitbringe?
  • Was ist wichtig, über Sexualität und ihre Verknüpfung mit somatischem und psychischem Befinden zu wissen?
  • Welche Haltungen und Einstellungen habe ich als Behandler*in selber dem Thema Sexualität und seiner vielgestaltigen Phänomene gegenüber?

Fachseminar „Sexualität und psychische Gesundheit“

Das Fachseminar „Sexualität und psychische Gesundheit“ am 4. bis 7. August 2022 in der Deutschen Heilpraktikerschule Leipzig bietet fundierten Einblick in die biopsychosoziale Konzeption von Sexualität, Wissen über den Zusammenhang von sexuellen Störungen und psychischem sowie körperlichem Wohlbefinden und vermittelt Ideen für mögliche Interventionsmöglichkeiten bei sexuellen Problemen.

 

Dieser Beitrag wurde von Susanne Zeller, Sexualwissenschaftlerin (M.A.) und Heilpraktikerin für Psychotherapie, verfasst.

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