Leserbrief an den Stern – Reaktion auf den Artikel der Ausgabe Nr. 17

Leserbrief an den Stern – Reaktion auf den Artikel der Ausgabe Nr. 17

Leserbrief an den Stern – Reaktion auf den Artikel der Ausgabe Nr. 17

Der Stern titelte in seiner 17. Ausgabe des Jahres 2017 “Gefährliche Heilpraktiker – Worauf Patienten bei der Wahl ihres Alternativ-Mediziners achten müssen”. Der Inhalt der Reportage ist nicht so reißerisch wie der Titel vermuten lässt. Bernhard Albrecht recherchierte mit Margot Weber für diese Reportage und versucht auf zwölf Seiten die Komplexität der Themen Heilpraktikergesetz, Heilpraktikerausbildung und alternative Heilmethoden darzustellen. Letzendlich ein grober Überblick über gesetzliche Lücken und bedauerliche Einzelfälle. Der Stern-Chefredakteur Christian Krug formuliert in seinem Editorial: “Es geht dabei nicht um die Heilpraktiker, die sich mit Herzblut für ihre Patienten aufopfern und gute Arbeit leisten, sondern darum, welche Schlupflöcher schwarze Schafe finden.” Michael Bochmann hat in einem Leserbrief an den Stern zu dem Artikel Stellung genommen.

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Sehr geehrter Herr Albrecht, sehr geehrter Herr Krug,

ich möchte mich bei Ihnen für die Stern-Reportage bedanken. Anders als der Titel vermuten ließ, haben Sie den Beruf des Heilpraktikers und die komplementäre Medizin nicht vollständig alternativlos dargestellt. Als praktizierender Heilpraktiker und Inhaber der Deutschen Heilpraktikerschule möchte ich dennoch zu ausgewählten Aussagen Ihrer Reportage Stellung nehmen.

In meiner zwanzigjährigen Tätigkeit begleiten mich stetig die Diskussion, um den Beruf des Heilpraktikers. Die negative Wahrnehmung beruht auf einer falschen Darstellung des Berufs in der Öffentlichkeit. Das ist bedauerlich, da durch Journalisten meist nur die negativen Einzelfälle aufgegriffen werden. Diese überschatten immer wieder unseren Berufsstand.

Auch wenn das veraltete Heilpraktikergesetz von 1939 nicht die Tragweite und den von Ihnen gewünschten Patientenschutz aufweist, haben seriös praktizierende Heilpraktiker weitere gesetzliche Pflichten einzuhalten.

So verbietet u.a. das Heilmittelwerbegesetz irreführende, falsche und täuschende Aussagen zu Medikamenten, Verfahren oder Behandlungsmethoden.

Das Patientenrechtegesetz gilt sowohl für einen Arzt als auch für Heilpraktiker. Patienten haben immer einen Anspruch auf eine angemessene Aufklärung, Beratung und sorgfältige, qualifizierte Behandlung. Es ist gesetzlich verpflichtend Patienten umfassend über alles zu informieren und aufzuklären. Dazu gehören sämtliche Umstände der Behandlung wie Diagnose, Folgen, Risiken und mögliche Alternativen der Behandlung.

Die schwarzen Schafe unserer Branche und die bedauerlichen Einzelfälle verletzen diese gesetzlichen Pflichten. Ich stimme Ihnen zu, dass es nicht an Vorschriften fehlt, sondern an den Kontrollen und Konsequenzen.

Für uns sind die aktuell bekannten Änderungen des Heilpraktikergesetzes nicht weitreichend genug und wir setzen uns aktiv für eine weitreichende Änderung ein. Wie Sie beispielsweise in unserer Stellungnahme entnehmen können. (Link: https://deutsche-heilpraktikerschule.de/presse/pm-reform-heilpraktikergesetz/)

Wir legen in unserer Ausbildung großen Wert darauf praxisorientiertes medizinisches und naturheilkundliches Wissen zu vermitteln. Von Esoterik und anderen unseriösen Angeboten distanzieren wir uns. Unsere Ausbildungsteilnehmer und späteren Heilpraktiker sollen nicht nur die anspruchsvolle Prüfung beim Gesundheitsamt bestehen, sondern in der Naturheilkunde so umfänglich ausgebildet werden, dass sie die Wirkungen und auch Grenzen der Naturheilkunde kennen.

Allen voran fordern wir bei der Novellierung eine staatliche Anerkennung der Ausbildung, eine bundesweit einheitliche Ausbildungs- und Prüfungsordnung und Praktika. Darüber hinaus halten wir es für angebracht, in der Heilpraktikerüberprüfung nicht nur medizinisches Wissen zur „Gefahrenabwehr“, sondern auch Kenntnisse in naturheilkundlichen Verfahren, abzufragen.

Widersprechen möchte ich Ihnen in dem Punkt bezogen auf untätige Berufsverbände. Wir sind im Verband Deutscher Heilpraktiker (VDH) organisiert und aktiv. Ich kann eine Untätigkeit und nur kosmetische Änderung des Heilpraktikergesetzes nicht zustimmen. Ich bin im stetigen Austausch mit dem Vorstand des VDH, der sich unseren Forderungen zur Anerkennung der Ausbildung anschließt und dies in den besagten Arbeitsgruppen aktiv einfordert. Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU im Bundestag, Frau Maria Michalk hat bereits in der TV-Sendung FAKT IST! vom 9. Januar 2017 verlauten lassen, dass es ein langwieriger Prozess sei, eine Ausbildungsordnung zu etablieren.

Hier sehe ich jedoch die größten Chancen sowohl für meinen Berufsstand als auch für den Patientenschutz. Denn so können unseriöse und gesetzeswidrige Aktionen zwar nicht vollständig ausgeschlossen, jedoch Schlupflöcher geschlossen werden. Hier sehe ich neben Verbänden, Ämtern und Behörden auch die Medien in der Pflicht, an dem positiven Bild des Heilpraktikers mitzuwirken.

Bei all der guten Recherche und Betrachtungsweisen Ihres Artikels finde ich es bedauerlich, dass im Zusammenhang mit der Heilkunde und dem Beruf des Heilpraktikers meist nur auf die esoterisch und spirituell orientierten Praktiken und auf die Krebstherapie Bezug genommen wird. In meinen Augen fehlt in allen Berichterstattungen der Blick auf die wesentlichen naturheilkundlichen Verfahren. Ausleitungsverfahren, Kneipp oder die Pflanzenheilkunde finden in den journalistischen Betrachtungsweisen wenig Beachtung. Naturheilkunde ist weit mehr als Akupunktur, Homöopathie oder Osteopathie.

Wie gelegentlich  auch in der Schulmedizin sind auch in der Naturheilkunde die Wirkungsweisen von Verfahren umstritten. Studien belegen und widerlegen immer wieder den Erfolg und Misserfolg von Behandlungsmethoden. Ich sehe es als wichtig an, dass sowohl Ärzte als auch Heilpraktiker im Interesse ihrer Patienten handeln sollten. Eine Krebserkrankung lässt sich in der Tat nicht mit Homöopathie heilen. Chronische Schmerzen im Knie können hingegen mit Akupunktur oder Ausleitungsverfahren Linderung erfahren, und eine unnötige Operation vermeiden. Wünschenswert wäre, dass Schulmedizin und komplementäre Medizin im Interesse der Gesundheit zusammenarbeiten, statt sich als Konkurrenz zu sehen. Eine Anerkennung der Ausbildung würde keine arztähnliche Aufwertung bedeuten, sondern im Interesse von Patienten weitere Heilverfahren komplementär zur Schulmedizin einführen.

Ihre Überlebenstipps für den Dschungel der Alternativmedizin sind für den Leser gut gemeint, aber greifen aus meiner Sicht zu kurz. Gern stehen wir Ihnen für weitere Recherchen und Reportagen zu diesem Thema beratend zu Seite.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Bochmann
Heilpraktiker & Inhaber der Deutschen Heilpraktikerschule

 

Dieser Text wurde verfasst von Kati Fritzsche. Foto: Istock

 

 

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