In unserer neuen Reihe Wie im Film beleuchten wir Phänomene aus der Welt der Psychotherapie. Dabei steht die Verknüpfung eines Störungsbildes, in diesem Fall der Multiplen Persönlichkeitsstörung, mit der filmischen Umsetzung im Fokus. Am Ende wird der Bogen zur psychotherapeutischen Behandlung geschlagen. Heute: The Scribbler
Wenn man einen Reißverschluss – einen zipper – am Kopf hätte, dann könnte man diesen öffnen, unzippen. Was man dann wohl sehen würde…?
Vielleicht multiple Identitäten, wie bei Suki. Sie landet nach der Psychiatrischen Klinik zum Übergang in einem Wohnturm mit dem Namen Juniper Tower und ist plötzlich mit vielen Gleichgesinnten unter einem Dach. Fast alle sind Frauen und alle haben eigene Diagnosen bis hin zur Textilophobie. Sie sollen lernen, sich mit ihren Ängsten auseinanderzusetzen und wieder allein zurecht zu kommen.
Multiple Persönlichkeitsstörung
Die Multiple Persönlichkeitsstörung, auch Dissoziative Identitätsstörung genannt, hat in der ICD-10 die Diagnoseziffer F44.81. In vielen Fällen durch ein Trauma bedingt, entstehen durch Aufspaltung (Dissoziation) mehrere bis einige hundert Persönlichkeiten, die nur sehr wenig oder gar nichts voneinander wissen. Es kann aber auch einen Chef geben, der über alle anderen Bescheid weiß und sie kontrolliert. Besonders mit diesem gilt es in der Behandlung Kontakt aufzunehmen, nur er kann die anderen beeinflussen, damit sie am Ende alle in einem Boot sitzen, also psychisch integriert werden können. Eine echte Herausforderung für Psychiater oder Psychologen, die sehr viel Geduld und Verständnis bei ihrer Arbeit brauchen. Für die Patienten auch, denn oftmals ist langjähriger Missbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit der Anfang.
Brenntherapie
Suki bekommt von ihrem Psychiater einen Prototyp von Gerät, mit dem sie nach und nach ihre überzähligen Persönlichkeiten wegbrennen kann. Eine fiktive, aber durchaus plausible Weiterentwicklung der Elektrokrampftherapie, die im Film Siamesische Brenntherapie genannt wird. Das Gerät funktioniert hervorragend, nach jeder Selbstbehandlung steht der Zähler eine Zahl niedriger, eine Persönlichkeit ist weggebrannt. Aber Suki hat Ausfälle, Dinge, an die sie sich nicht mehr erinnert, wacht jedes Mal erst nach einer längeren Bewusstlosigkeit wieder auf. Und jedes Mal ist ein Selbstmord passiert. Oder ein Mord?? Juniper Tower wird zum Jumper Tower. Man muss gut auf sich aufpassen, wenn man hier wohnt! Die Polizei sieht das auch so und startet Verhöre. Auch Suki wird verdächtigt.
Die wollen nur helfen!
Und dann ist da noch der Scribbler. Er kritzelt in Sukis Appartment die Wände voll, denn das macht ein Scribbler: kritzeln. Warnungen kritzeln. Erklärungen kritzeln. Etwas aus Sukis Kopf rauskritzeln. Bis alles, die ganze Wahrheit draußen ist. Aber der Zuschauer weiß immer noch nicht, wer das Rennen am Ende machen wird. Die Maschine zeigt nur noch 2 Persönlichkeiten. Wer wird übrigbleiben: Suki oder der Scribbler? Und wer ist Sukis Freund Hogan? Ist einer von beiden verantwortlich für die vielen Selbstmorde? Sind alle Bewohnerinnen in Wirklichkeit Sukis innere Anteile, die nach und nach integriert werden und daher „tot“ sind? Oder ist die gefühlskalte Gothic-Frau Alice gar keine von Sukis Identitäten und schuldig an den Toten? Wer das Ende wirklich verstehen will, muss den Film eventuell zweimal schauen. Aber so ist das mit multiplen Persönlichkeiten, jede hat ihren eigenen Blickwinkel, ihre eigenen Strategien, und ihre eigene Meinung. Aber allen ist gemeinsam: Sie wollen auf ihre Art und Weise helfen!! Dieser Film zeigt brillant in düsterem Science Fiction, welche inneren Kämpfe eine Diagnose wie die Multiple Persönlichkeitsstörung mit sich bringen kann.
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