Er galt als der „Duft der Götter“, als ein Geschenk für Könige und gehört zu den kostbarsten Gütern des Altertums. Eine heilige Substanz, die zugleich heilt – der Weihrauch. Einst so kostbar wie Gold wurde der Weihrauch vor noch nicht allzu langer Zeit wiederentdeckt.
Weihrauch in Religion und Heilkunde
Seine Bekanntheit verdankt der Weihrauchbaum seinem gleichnamigen Harz, das die Römer Olibanum nannten und dessen Ernte Plinius der Ältere (24-29 n.Chr.) in seiner Enzyklopädie Naturalis historia ausführlich beschrieb. Weihrauchharz gilt zum einen als beliebtes Räucherwerk, das beim Verbrennen einen aromatisch-duftenden Rauch verströmt und in den Ritualen unterschiedlichster Religionen und Kulturen eingesetzt wird. Zum anderen wird in uralter Tradition der Weihrauch auch zu medizinischen Zwecken verwendet. Denn die Anfänge der Naturheilkunde sind eng verwoben mit religiösen Traditionen. Dies kann man an der Bedeutung des Wortes ‚heilig‘ erkennen – es beinhaltet das Wort heil (sein) und deutet damit auf Ganzheit, Unversehrtheit und Gesundheit hin, religiös auch auf Erlösung.
Dem Duft des Weihrauchs schätzten auch die Ärzte der Antike sehr, sie schrieben ihm eine beruhigende und stabilisierende Wirkung zu. Und obwohl sie vom limbischen System und seinem Bezug zu Gerüchen und Gefühlen nichts ahnten, berichteten die Ägypter, dass mit Düften Psyche und Wohlbefinden beeinflusst werden können. Weihrauch und Myrrhe hatten nach ihrer Erfahrung hohe Wirksamkeit bei der Wiederherstellung seelischen Gleichgewichts.
Von Ayurveda bis Klostermedizin
In der Ayurvedischen Medizin Indiens wird Weihrauch seit immerhin 3000 Jahren erfolgreich bei entzündlichen Erkrankungen und bei Nervenleiden eingesetzt. Die indische Medizin bedient sich dabei hauptsächlich der Arten Boswellia sacra und Boswellia serrate.
Avicenna (ca. 980 -1037 n.Chr.), einer der berühmtesten Ärzte seiner Zeit in Persien, setzte Weihrauch bei Harnwegsentzündungen, Infektionen, Tumoren, Fieber, Erbrechen, Entzündungen der Vulva und den Genitalien sowie Ruhr ein. Jedoch nicht nur auf körperlicher Ebene bescheinigt er dem Weihrauch wunderbare Heilwirkungen. In seinem ‚Kanon der Medizin‘ schreibt er: „Er nützt dem Verstand und stärkt ihn“. Aufgrund seiner Beobachtungen hat sich das in verbesserten Gedächtnisleistungen, einer erhöhten Konzentrationsfähigkeit und einem besseren Erinnerungsvermögen gezeigt.
Für Al Razi (854-925 n.Chr.), auch als Rhaes oder Rasis bekannter persischer Alchemist, Chemiker und Arzt, war Weihrauch ein wichtiges Arzneimittel zur Entgiftung.
Die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 – 1179) setzte Weihrauch in der Klostermedizin bei Ohrenleiden wie Schwerhörigkeit und Tinnitus ein, wobei sie auf besonders helle, weiße Weihrauchkörner Wert legte. Der Rauch sollte in die Gehörgänge geleitet werden, was uns an die heutigen Ohrenkerzen, die übrigens auch mit Weihrauch erhältlich sind, erinnert. Aus der Klostermedizin gelangte der Weihrauch mit Beginn der Neuzeit in die weltliche Medizin: Aus dem 16. Jh. stammen erste Belege über Oleum thuris (Weihrauchöl) in den deutschen Apotheken.
Auch für Sebastian Kneipp (1821-1897) gehörte Weihrauch selbstverständlich zu den Heilmitteln: Bei bestimmten Beschwerden empfahl er die tägliche Einnahme weißer Weihrauchkörner. Offensichtlich geht die Verwendung des weißen Weihrauchs auf jahrhundertealte deutsche Erfahrung zurück.
Herkunft und Anbau
Der bis zu sechs Meter hohe, strauchartige und eher unscheinbare Olibaum war schon immer selten, denn er braucht zum Gedeihen absolute Trockenheit und einen Boden mit einer bestimmten mineralischen Zusammensetzung. Diese Voraussetzungen gibt es weltweit in nur wenigen Regionen. Die wichtigsten Stammpflanzen des Weihrauchbaumes sind drei Bäume aus der Familie der Balsamstrauchgewächse (Burseraceen): der arabische Weihrauchbaum und zwei weitere Boswellia-Arten aus Somalia. Bevorzugt wird mittlerweile Boswellia serata Roxb. Ex Colebr., ein kleiner Baum, der in Indien heimisch ist. Er weist den höchsten Gehalt an Boswellia-Säuren auf und erregt aus diesem Grund das Interesse der heutigen Wissenschaft.
Im Unterscheid zu anderen Balsamgewächsen scheidet der Weihrauchbaum auch ohne äußere Einwirkung sein Harz aus: Es bildet sich in Sekretdrüsen und sammelt sich an heißen Tagen am Holz des Stammes. Bei der Ernte ritzen die Bauern dennoch mit einem Messer die Rinde an, weil das Harz dann noch besser fließt. Ein einziger Weihrauchbaum bringt so während einer Erntesaison drei bis zehn Kilogramm Harz.
Alte Arzneipflanze neu entdeckt
Als Heilmittel geriet der Weihrauch im Westen nach dem Mittelalter fast in Vergessenheit. Aktuell erlebt der Weihrauch eine Renaissance in der naturheilkundlichen Medizin und wird erst seit kurzer Zeit wissenschaftlich erforscht. Aktuelle Studien zur Wirksamkeit des Weihrauchs bestätigen in bemerkenswerter Weise seine traditionellen und sehr breit gefächerten Anwendungsgebiete. Allerdings sind seriöse klinische Studien zu Weihrauch bislang nur schmal vertreten, die klinische Wirksamkeit ist noch nicht ausreichend und vollständig erforscht. So könnte es noch weitere, bislang unbekannte Inhaltsstoffe geben. Bisher hat man über 200 verschiedene chemische Verbindungen aus Olibanum isoliert.
Ergänzung und Alternative bei Entzündungen
Von besonderem Interesse sind wohl die Boswellia-Säuren, die maßgeblich verantwortlich sind für die entzündungshemmende Wirkung des Weihrauchs. Dies geschieht hauptsächlich über die Proliferation der Lymphozyten und die Kontrolle von Entzündungen durch Boswellia. Das ist von besonderer Bedeutung, da chronische Entzündungen zu den größten Risikofaktoren bei den meisten chronischen Krankheiten zählen.
Dies erklärt auch, warum Boswellia in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie Bronchialasthma, Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis, Lyme-Borreliose und Colitis ulcerosa eingesetzt wird. Tatsächlich unterdrückt Boswellia nicht nur Symptome, sondern fördert auch eine tiefergehende Heilung.
Stärkung des Immunsystems
Auch bei vielen anderen gesundheitlichen Problemen kann Boswellia serrata als unterstützende Maßnahme eingesetzt werden, um das Immunsystem deutlich zu stärken. Eine besonders hohe Wirkung wird dabei erzielt, wenn der Extrakt oral eingenommen (Kapsel) und gleichzeitig das Öl auf andere Weise genutzt wird (Tropfen unter die Zunge oder an den Gaumen).
Besondere Stellung in der Aromatherapie
Auch in der heutigen Aromatherapie ist der Weihrauch als sanftes Mittel sehr beliebt – da er die Selbstheilungskräfte anregt und die Psyche positiv beeinflusst. Schon Hildegard von Bingen wies darauf hin, „dass es die Mischung aus vielen Aromen und psychoaktiven Stoffen sei, die dem Weihrauch seine Potenz verleihe und bei einer Räucherung den Heilungsprozess in Gang setze“. Nach Vorbild der alten Ägypter lässt sich im Rahmen einer Aromatherapie z.B. Extr. Olibani Massageölen zumischen oder mit entsprechendem Emulgator (Salz, Honig, Sahne) als tonisierender Badezusatz verwenden.
Wertvolles Phytotherapeutikum
Die Jahrtausende alte Erfahrung mit Olibanum als Phytotherapeutikum und in der Aromatherapie und die Ergebnisse der modernen Weihrauch-Forschung weisen auf mögliche Einsatzmöglichkeiten im Bereich von Psyche, Verdauungstrakt, Atemtrakt und Immunsystem hin.
Fest steht: Weihrauch ist ein wertvolles – zu Unrecht in Vergessenheit geratenes – Therapeutikum, das seinen Platz in der Erfahrungsheilkunde und ganzheitlichen Medizin sicher wieder fest einnehmen wird.
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