Hildegard von Bingen (1098-1179) war eine bedeutsame Frau ihrer Zeit. In ihrem umfassenden prophetischen Werk wird ein kosmisch-mystisches Weltbild in beeindruckenden symbolhaften Bildern als Einheit von Religion, Heilkunde, Musik und Dichtung dargestellt. Durch ihre visionäre Schau erkannte sie die Zusammenhänge von Natur, Mensch und Gott. Den Menschen sah sie im Mittelpunkt der mit besonderen Kräften ausgestatteten Schöpfung und eingebunden in die kosmische Ordnung.
Ganzheitliches Menschenbild
In der Hildegardheilkunde, die eigentlich eine Heilskunde ist, betrachtet man den Menschen, seine Gesundheit und sein Kranksein in seiner Ganzheit, um die eigentliche Ursache der Erkrankung zu beeinflussen.
„Der Mensch baue seinen Leib als ein wohnliches Haus, damit die Seele gerne darin wohnt“. Das Zitat zeigt, dass bei der Heiligen Hildegard Heilung auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Äußerliche Beschwerden hängen damit zusammen, dass im Körper schlechte Säfte entstehen. Diese können sich durch Ernährungsfehler und durch innere Konflikte wie destruktive Gedanken und Gefühle (Wut, Sorge, Angst, Trauer) aber auch Stress vermehren. Es geht zum einen darum, den Körper von diesen krankmachenden Einflüssen zu reinigen (Ausleitung und Entgiftung). Zum anderen ist es wichtig, durch eine harmonische Lebensführung und bekömmliche Ernährung vorzubeugen. Dazu gehören auch die Balance zwischen Arbeiten und Gebet (ora et labora), zwischen Bewegung und Ruhe (Spannung und Entspannung) und zwischen Wachen und Schlafen.
Der Hildegardische Aderlass, das Schröpfen, die Heilmittel, die Ernährung, das Fasten sind ebenso Bestandteil der Hildegardheilkunde wie Musik, Tanz, Meditation und Gebet.
Für unsere Zeit erhält man notwendige Denkanstöße in ihren theologischen und heilkundlichen Schriften.
Noch vor der Ernennung zur Kirchenlehrerin (2012) schrieb Kardinal Joseph Ratzinger (der spätere Papst Benedikt XVI.) in einer Grußbotschaft zum Hildegard Symposium im Jahre 1994 unter anderem: „Heute steht Hildegard in ihrer ganzen kühnen Universalität vor uns. Wir fühlen uns angesprochen durch ihre liebevolle Zuwendung zu den heilenden Kräften der Schöpfung… In der Krise des Menschenbildes, die wir durchschreiten, hat sie Wesentliches zu sagen.“
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