Focusing-Methode: Bewusste Zusammenarbeit mit innerer Eigendynamik

Focusing-Methode: Bewusste Zusammenarbeit mit innerer Eigendynamik

„Der Focusing-Prozess hebt verborgenes persönliches Wissen auf die Bewusstseinsebene.“ (Eugene Gendlin)

Ursprung der Focusing-Methode

Focusing wurde von Eugene T. Gendlin (geboren 1926 in Wien, gestorben 2017 im Bundesstaat New York in den USA) entwickelt. Gendlin war Professor an den Fachbereichen Philosophie und Verhaltenswissenschaften der Universität von Chicago. Zeitweise arbeitete er zusammen mit Carl Rogers, dem Begründer der klientenzentrierten Psychotherapie. Mittels des Focusing entwickelte Gendlin die klientenzentrierte Psychotherapie weiter zur erlebnisorientierten Psychotherapie.

In den USA gründete Gendlin 1979 das International Focusing Institut mit dem Ziel, die Focusing-Methode einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In Deutschland setzt sich die Deutsche Focusing Gesellschaft-Stiftung e.V. seit 1997 für die Verbreitung des Focusing ein.

Am Anfang stand eine Frage

In seinem Buch „Focusing – Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme“ beginnt Gendlin wie folgt: „In den vergangenen fünfzehn Jahren habe ich mit mehreren Kollegen an der Universität von Chicago und anderswo einige Fragen untersucht, die die meisten Psychotherapeuten nicht gerne laut stellen. Weshalb gelingt die Therapie nicht häufiger? Weshalb bewirkt sie so selten eine echte Änderung im Leben der Patienten? Und was tun Patienten und Therapeuten in den seltenen Fällen, in denen sie zum Erfolg führt? Was ist es, das die Mehrheit unterläßt?“

Inspiriert durch diese Fragen begann Gendlin zu forschen. Gemeinsam mit anderen analysierte er „buchstäblich Tausende von auf Band aufgenommene Sitzungen.“ Dabei entdeckte Gendlin Folgendes:

  1. Die vom Therapeuten angewandte Methode spielt eine untergeordnete Rolle für den Therapieerfolg, also die Erzeugung greifbarer Veränderungen im Leben des Patienten. Diese Erkenntnis wurde durch die umfassende Meta-Studie von Prof. Klaus Grawe bestätigt (Grawe, 2005).
  2. Entscheidend ist auch nicht, worüber die Patienten sprechen. Entscheidend ist die Art und Weise, wie die Patienten sprechen. Die Patienten, die beim Sprechen Bezug nahmen auf das aktuell wahrnehmbare körperliche Erleben und dieses unmittelbar ausdrückten, waren die „erfolgreichen“ Patienten.

Als Gendlin und seine Kollegen dies erkannt hatten, entwickelten sie unter Zuhilfenahme der aus den analysierten Sitzungen gesammelten Erfahrungen eine Methode, um Patienten bei der Bezugnahme auf die im Augenblick des Sprechens am Körper erlebten Gefühle zu unterstützen: die Focusing-Methode.

Die drei Pfeiler der Focusing-Methode

Die Grundpfeiler der Focusing-Methode sind:

  1. Entschleunigte Sprache: ein ruhiges Sprechtempo und Sprechpausen sind nötig, um während des Sprechens den Körper wahrzunehmen. Die „Focusing-Sprache“ ist langsam, tastend und behutsam. Worte werden nicht rein kognitiv gewählt, sondern entstehen teilweise wie von selbst, da über den Körper der Kontakt zum Vorbewussten, dem tieferen Unbewussten und der Selbstregulation hergestellt wird.
  2. Absichtslosigkeit und Nicht-Wissen: Beim Focusing gibt es kein im Voraus feststehendes Ziel des Prozesses. Die Methode unterstützt den Menschen, sich im Jetzt, im „Sein“ zu spüren und sich ganzheitlich wahrzunehmen. Was von Moment zu Moment geschieht, darf geschehen. Egal, ob man begleitet wird oder die Focusing-Methode eigenständig anwendet: keiner weiß, was als nächstes kommt. Jeder ist gehalten, in wacher Demut dem aus der inneren Eigendynamik entstehenden Weg zu folgen. „Im Focusing muss [Änderung der Red.] man nehmen, was kommt.“ (Gendlin)
  3. Akzeptanz: Wenn man der inneren Eigendynamik Aufmerksamkeit schenkt, ist es wichtig, das zu akzeptieren, was man im Moment empfindet. Jedes Körpergefühl, jeder Gedanke, jede aufkommende Stimmung gilt es anzunehmen, so wie sie ist.

Fazit

Die Focusing-Methode ist hervorragend dazu geeignet, seinen Körper im Hier und Jetzt absichtslos wahrzunehmen, um dadurch den bewussten Kontakt zur inneren Eigendynamik zu erleben.

Mehr zu den theoretischen Grundlagen und der praktischen Anwendung erfahren Sie in einem Fachseminar in Lüdinghausen. Hier finden Sie alle Informationen.

Quellen:

  • Gendlin, Eugene T. (2011): Focusing – Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek beim Hamburg.
  • Grawe, Klaus (2005): (Wie) kann Psychotherapie durch empirische Validierung wirksamer werden? Psychotherapeutenjournal 1/2005, S. 4-11.
  • Weiser Cornell, Ann (2015): Focusing – Der Stimme des Körpers folgen, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg

Dieser Beitrag wurde von Daniel Schwanekamp verfasst. Er ist Berater für Persönlichkeitsentwicklung & Achtsamkeit sowie Dozent für das Fachseminar Focusing an der Deutschen Heilpraktikerschule Lüdinghausen.

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