Bioidente Hormone, ihre Dosierung und Folgen von Überdosierung

Bioidente Hormone, ihre Dosierung und Folgen von Überdosierung

Bioidente Hormone, ihre Dosierung und Folgen von Überdosierung: Bioident? Biologisch? Was!? Bioidentische Hormone sind ausschließlich diejenigen Hormone, die, betrachtet man das Molekül, exakt so aussehen, wie der Körper es selbst herstellen würde (Bios = griechisch „Leben“). Bioidentische Hormone sind meistens nicht dasselbe wie Phytohormone, die aus Pflanzen hergestellt wurden und damit „biologisch“ sind.

Verwendete Hormonmoleküle können in ihrer Herkunft pflanzlichen oder auch chemischen Ursprungs sein und beide Varianten können, müssen jedoch nicht, bioidentisch sein – die Mehrheit der Moleküle ist „hormonähnlich“.

Die hormonähnlichen Moleküle können an die Rezeptoren binden, an die das Original oder das bioidente Molekül (gleichgültig welcher Herkunft) binden kann. Durch dieses Bindungsverhalten können also auch hormonähnliche Moleküle Rezeptoren besetzen. Dort bewirken die ähnlichen Moleküle jedoch keine oder begrenzte Wirkeffekte, im Gegensatz zu dem, was die bioidentischen bzw. körpereigenen Hormone auslösen. Hormonelle Kontrazeptiva sind, wie die meisten Phytohormone, nicht das gleiche wie bioidente Hormone. Bei der Wahl, ob es nun bioidente Hormone oder hormonähnliche Anwendungen werden sollen, müssen wir verstehen, wie der Wirkeffekt entsteht.

Rezeptoren und die Singlebörse

Ohne uns an dieser Stelle weiter in den Untiefen der Rezeptor- und Hormonsysteminteraktionen inklusive der verschiedenen Molekülarten und der Weiterverstoffwechselungsmöglichkeiten zu verlieren, bleiben wir nun ausschließlich bei den vom Körper selbst produzierten (= körpereigen) und den genau gleich aussehenden, zugeführten (= bioidenten) Hormonen und halten fest, dass Hormonmoleküle ihre Wirkeffekte auf den Körper ausschließlich (!) über die Rezeptoren in den Zellen entfalten.

Damit das klappt, müssen demnach zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es gibt Hormonmoleküle, die sich binden können.
  • Es gibt für diese Hormonmoleküle passende Rezeptoren, die bindungsfähig sind.

Es ist also ein bisschen wie an der Singlebörse. Nun können wir uns das so vorstellen, dass (vereinfacht dargestellt) in unserem Körper Hormonmoleküle durch das gesamte Blutsystem herumirren, äh, kreisen. Die Rezeptoren sitzen erwartungsfroh in den Zellen und hoffen auf baldigen Besuch. Sobald die beiden aneinanderbinden, wird aus der Zelle ein Wirkeffekt ausgelöst. Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende …

Moment mal! So einfach ist das?

Nein, natürlich ist es so, dass es Steuermechanismen gibt, da der Alltag vom Körper unterschiedliche, individuelle Hormonkonzentrationen verlangt. Die Schilddrüsenhormone sind noch recht konstant in ihren Wirkspiegeln. Anders sieht es beispielsweise bei Cortisol oder, bei der Frau, dem Progesteron aus. So passt sich die Syntheseleistung an den Bedarf an, und, um auf Nummer Sicher zu gehen, gibt es überdies die Speicherproteine. Falls man mal mehr braucht oder die Syntheseleistung eingeschränkt ist.

Ein schlaues System, um den Körper nicht mit Hormoninformationen zu überfrachten oder plötzlich aus Versehen in einen Mangel zu schlittern. Für Voraussetzung 1 (siehe oben) ist unser Körper über das regulative Synthese- und Speichersystem gut gesorgt.

Falls da doch einmal etwas schief geht, können die Zellen mit ihren Rezeptoren jedoch ebenfalls reagieren (Voraussetzung 2 – siehe oben). Kommen zu wenige bindungsfähige Moleküle vorbei, können die Zellen mehr Rezeptoren bereitstellen, um auch ja nichts zu verpassen! Andernfalls droht ein Mangel im Wirkeffekt.

Und sollten mal viel zu viele Moleküle das System fluten und sich an die Rezeptoren binden? Tja, dann baut man eben Rezeptoren ab. Der Wirkeffekt durch die Hormonanflutung würde sonst viel zu groß werden.

Überdosierung – wann kommt die Flut?

Besteht eine Unterfunktion bei einer Hormondrüsenausschüttung, d. h. die körpereigenen Hormonmoleküle sind in ihrem Wirkspiegel zu niedrig, gibt es einen zu geringen Wirkeffekt für den Körper. Die Folgen wären dann, je nach betroffener Drüse, z. B. eine Hypothyreose oder ein Progesteronmangel. Nun haben wir die Möglichkeit, Hormone von außen zuzuführen. Um den Mangel auszugleichen, benötigt es die Zuführung bioidenter Hormone, also beispielsweise L-Thyroxin für die Schilddrüse oder bioidentisches Progesteron. Ein Mangel kann nicht mit hormonähnlichen Molekülen wie z. B. durch hormonelle Kontrazeptiva ausgeglichen werden.

Die zugeführten bioidenten Moleküle sind für den Körper nicht von den körpereigenen zu unterscheiden. Sie sehen exakt identisch aus, werden demnach genauso verwendet und lösen die gleichen Wirkeffekte aus. Dosieren wir physiologisch und anhand von Laborwerten ist dies für den Körper oft eine willkommene Unterstützung und kann entlastend wirken. Die Regelmechanismen von Synthese und Rezeptoren werden nicht gestört.

Übertreibt man es jedoch, frei nach dem Motto „viel hilft viel“, kann der Schuss schnell nach hinten losgehen: Zuerst wirkt alles gut, weil eine schnelle Aufsättigung erfolgt und es den Betroffenen besser geht. Sind wir aber in der Dosierung zu hoch, wird es ggf. zu einer Überschusssymptomatik kommen und/oder den Zellen wird das Angebot zuviel. Dann regulieren sie die Rezeptoranzahl runter, um die Flut zu kontrollieren.

In beiden Fällen geht es den Betroffenen nun schlechter – sei es wegen der Überfunktionssymptome oder weil man wegen des Abbaus der Rezeptoren wieder in die Unterfunktionssymptomatik rutscht. Gleichzeitig wird die eigene Produktion heruntergefahren. Würde man nun die Zuführung des bioidenten Hormons (abrupt) heruntersetzen, kann es sein, dass der Körper Schwierigkeiten hat, selbst wieder zumindest in seine alte Syntheseleistung zurückzufinden. Die Unterfunktionssymptomatik verschärft sich. Würde man nun noch mehr bioidentes Hormon zuführen, würde der Körper vermutlich erneut mit einer Gegenregulation der Rezeptoren reagieren – ein Auf und Ab der Wirkeffekte für die Betroffenen.

Wie dosieren wir denn jetzt bioidente Hormone!?

Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir mit Hormongaben in ein hochkomplexes System eingreifen. Deshalb ist langsam die Devise! Gelingt es nicht, das System anderweitig zu stärken (z. B. mit Hormondrüsenmitteln, Nährstoffzufuhr, Elimination des Eintrags von Umwelthormonen usw.), ist eine Zufuhr mit bioidenten Hormonen eine gute Möglichkeit. Um den zuvor beschriebenen circulus vitiosus zu vermeiden, bzw. die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des circulus vitiosus so gering wie möglich zu halten, rate ich grundsätzlich dazu, mit niedrigen Dosierungen zu beginnen. Eine Überprüfung der Einstellung sollte alle vier bis sechs Wochen vorgenommen werden und, ist das gewünschte Ergebnis noch nicht erreicht, die Dosis nach oben langsam angepasst werden, bis man den richtigen und konstanten Wirkeffekt erzielt. So kann man eine bioidente Hormongabe einführen, mit einer geringeren Gefahr, eine hormonelle Dysbalance auszulösen.

 

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Dieser Beitrag wurde von Juliane Herzberg, Tutorin der Online-Ausbildung zum Hormoncoach, verfasst.

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