Carl Rogers und seine Kollegen entwickelten bereits in den 1940er Jahren die personenzentrierte Gesprächstherapie. Sie gingen damals davon aus, dass die Klienten von sich aus die Fähigkeit haben, ihre Probleme zu lösen und dadurch in ihrer Persönlichkeit wachsen können. Voraussetzung dafür ist, dass sie ein verständnisvolles, wertschätzendes und „aktiv-zuhörendes“ Gegenüber haben. Die drei Kernvariablen der personenzentrierten Gesprächstherapie nach Carl Rogers sind Empathie (nicht wertendes, einfühlendes Verstehen), Akzeptanz (unbedingte Wertschätzung) und Kongruenz (Echtheit). In dem heutigen Blogbeitrag möchte ich etwas intensiver auf das empathische Verstehen eingehen.
Empathie oder präzises, einfühlendes Verstehen
Das Hauptmerkmal des Gesprächspsychotherapeuten ist sein Bemühen um einfühlendes Verstehen. Empathie bedeutet: Der Therapeut hat den Wunsch, die innere Welt seiner Klienten kennenzulernen. Er möchte sich in den anderen einfühlen und ihn verstehen. So verhält sich der Therapeut einfühlend, empathisch und wertschätzend dem Klienten, seinen Eigenheiten, Besonderheiten und Schwierigkeiten gegenüber. Dadurch fühlt sich der Klient akzeptiert, sein Bedürfnis nach Anerkennung als lebenswertes und liebenswertes Individuum wird befriedigt und er kann dadurch den Zugang zu den eigenen Ressourcen finden.
Dabei ist das „Aktiv-Zuhören“ sehr wichtig. Es ist ein ganz besonderes Zuhören mit höchster Konzentration. Eigene Erlebnisse, Gefühle und Gedanken stellt der Therapeut dabei in den Hintergrund. Im besten Fall ist sein Bewusstsein völlig erfüllt von dem, was er von seinem Klienten wahrnimmt. Einfühlendes Verstehen bedeutet, die Welt so wahrzunehmen, als ob man der andere wäre. Das „als ob“ ist zentral, denn es heißt nicht, sich mit ihm zu identifizieren oder mitzuleiden.
Die Wirkung des einfühlenden Verstehens
Empathisches Verstehen führt zu zwei wichtigen, hilfreichen Veränderungen:
- Wir erzeugen beim Klienten angenehme Gefühle
- Es führt zur Selbstklärung
Zu 1.: Die meisten von uns haben es sehr gern, wenn uns jemand versteht. Dies gilt besonders, wenn wir uns in seelischer Not befinden, z.B. wenn wir deprimiert, ängstlich oder unglücklich sind. Gerade dann entwickeln sich oft Gefühle oder Verhaltensweisen, die unsere naheliegenden Mitmenschen kaum verstehen können. Wir wirken seltsam oder ungewohnt auf sie. Umso mehr freut es uns dann, wenn uns mit dem Therapeuten endlich ein Mensch begegnet, der uns, egal wie seltsam wir sein mögen, wirklich versteht. Manche fühlen sich wie aus einer tiefen Einsamkeit erlöst. Sie empfinden dem Therapeuten gegenüber Dankbarkeit und Vertrauen. Carl Rogers schreibt in seinem Buch: „Der neue Mensch“: „Fast immer, wenn jemand erkennt, dass er in der Tiefe gehört wurde, füllen sich seine Augen mit Tränen. Ich glaube, dass es in einem ganz realen Sinn Tränen der Freude sind. Es ist, als sage er: ,Gott sein Dank, jemand hat mich gehört. Jemand weiß, was es bedeutet, ich zu sein.‘“
Zu 2.: Die Empathie fördert die Selbstklärung, weil durch die Fragen des Therapeuten und dadurch, dass der Therapeut sich intensiv um eine Klärung der inneren Welt bemüht, dem Klienten nichts anderes übrig bleibt, als sich ebenfalls damit auseinanderzusetzen.
Ein Beispiel für die Gesprächstherapie nach Carl Rogers
Zum Abschluss möchte ich das nochmals an einem Beispiel zeigen:
Ein Klient sagt: „Wenn ich an die Prüfung in zwei Wochen denke, dann bekomme ich lähmende Angst. Ich glaube, dass ich ein Beruhigungsmittel brauche.“
Wenn ich nun auf das Gefühl eingehen würde, so würde ich sagen:
Ich: „Sie geraten da fast in Panik!?“
Der Klient könnte weiter seiner Angst nachspüren.
Klient: „Panik ist vielleicht zu viel gesagt, aber es ist doch eine starke Furcht.“
Ich: „Ein ganz starkes Gefühl der Bedrohung!?“
Klient: „Ja, ich träume sogar nachts schon davon.“
Ich: „So sind die Nächte für Sie auch noch voller Schrecken!?“
Klient: „Ja, es ist wirklich furchtbar.“
Bei richtig ausgeführter Empathie würde sich das Gespräch vielleicht so entwickeln:
Ich: „Sie geraten da fast in Panik (das Gefühl), und Sie glauben, dass Sie es nicht schaffen (Bewertung)!?“
Jetzt würde sich der Klient vermutlich damit auseinandersetzen, ob seine Angst damit zusammenhängt, dass er glaubt, durch die Prüfung zu fallen. Vielleicht sagt er:
Klient: „Ich glaube schon, dass ich es schaffen werde, aber ich habe einen Horror vor der vielen Vorbereitungszeit, die da auf mich zukommt.“
Ich: „Ja, es ist der Arbeitsaufwand, vor dem Sie Angst haben (Gefühl), und Sie sehen kaum eine Möglichkeit außer Beruhigungsmittel (Handlungsmöglichkeit)!?“
Klient: „Naja, ich könnte mich ja einer Lerngruppe anschließen.“
Der Klient sieht nun klarer, womit seine Gefühle zusammenhängen, und er beginnt darüber nachzudenken, was er tun könnte, um die Belastungen zu vermindern.
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Dieser Beitrag wurde von Uwe Schewe verfasst. Er ist Inhaber der Deutschen Heilpraktikerschule Hannover.
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