Welche Werte zeigt das große Blutbild? – Den Laborbefund verstehen: Das Labor ist DIE Untersuchungsmethode der Neuzeit. Wo früher die körperliche Untersuchung, das Gespräch oder auch Methoden wie Irisdiagnose und Dunkelfeldmikroskopie im Vordergrund standen, wird sich heute fast ausschließlich auf die Blutwerte im Labor verlassen. Doch was sagen diese Werte eigentlich aus? Und wo liegen auch die Grenzen? Zum Beispiel muss man sich immer gewahr sein, dass die Blutwerte eben nur die Blutwerte sind! Sie sagen nichts darüber aus, ob das Gewebe vergiftet oder belastet ist, denn dazu müsste man eine Biopsie machen. Übersäuerung und Schwermetallbelastung finden bspw. erst dann im Blut statt, wenn das Gewebe bereits übervoll und extrem belastet ist.
Heute erkläre ich am Beispiel des „großen Blutbildes“, was diese Werte bedeuten. Das große Blutbild besteht hauptsächlich aus drei Teilen: dem „kleinen Blutbild“, dem „großen Blutbild“ und zumeist noch dem „Differentialblutbild“.
Großes Blutbild
Erythrozyten (Abkürzung: Ery)
Dies ist die Anzahl der roten Blutkörperchen. Da deren Hauptaufgabe der Transport von Sauerstoff ist, kann der Blutwert Aussagen über die Sauerstoffversorgung des Blutes geben.
Verminderung
Diese stellt eine Form der Anämie dar. Es können entweder nicht genug Erys gebildet werden (Aplastische Anämie) oder es gehen zu viele unter (Hämolyse).
Die Aplastische Anämie kann ein Problem des Knochenmarks sein oder aber auch eine schwere Nierenerkrankung, da die Steuerung der Bildung über das von ihr produzierte Erythropoetin stattfindet.
Die Hämolyse kann eine Krankheit sein, wie starke Entzündungen, Malaria oder auch Traumen. Es kann aber auch bei Marathonläufern unmittelbar nach dem Lauf passieren, da sie bei jedem Schritt auch Erys unter den Füßen zerquetschen.
Erhöhung
Zu viele Erys sind meist ein Anzeichen für Sauerstoffmangel im Gewebe. Das kann zum einen eine Lungenerkrankung oder eine Herzinsuffizienz sein. Außerdem erhöhen sich die Erys bei Aufenthalt in großen Höhen (über 2000 m) oder bei Einnahme von EPO (= Erythropoetin) als verbotenes Doping.
Leukozyten (Abkürzung: Leukos)
Die Leukozyten sind die Gesamtmenge unserer weißen Blutkörperchen, der Immunabwehr im Blut. Dabei wird noch nicht unterschieden zwischen den einzelnen Anteilen, dazu braucht man das Differentialblutbild. Wichtig ist, bei Abweichungen nicht gleich zu viel hineinzuinterpretieren. Es ist immer eine Momentaufnahme. Unser Körper ist ständig im Kampf mit Erregern, auch ohne, dass wir es merken und es kann durchaus sein, dass akut die Leukos verändert sind und in der nächsten Woche wieder normal. Erst wenn bei mehreren aufeinanderfolgenden Untersuchungen die Werte immer gleich verändert sind, sollte man sich Gedanken über Diagnosen wie Leukämie oder Ähnliches machen.
Verminderung (= Leukopenie)
Häufig steckt dahinter ein viraler Infekt. Es können aber auch Immunschwächen wie AIDS oder Aplastische Anämie dahinterstecken.
Erhöhung (= Leukozytose)
Haben wir zu viel im Blut, spricht man von einer Leukozytose. Sie könnte ein Hinweis auf Infektionen durch Bakterien oder Parasiten sein, ebenso wie auf Bluterkrankungen wie Leukämie. Manchmal stecken auch Allergien oder Vergiftungen dahinter. Auch Raucher können eine leichte Leukozytose haben.
Thrombozyten (Abkürzung: Thrombos)
Die Thrombozyten sorgen für die Blutstillung.
Verminderung (= Thrombozytopenie)
Bei zu wenigen Thrombozyten im Blut könnten die Ursachen Knochenmarksschäden (durch Chemotherapien, Bestrahlungen, Schwermetalle (Blei), Handystrahlungen, Arzneimittel, wie z.B. Rheumamittel, Entwässerungsmittel, Hormonpräparate) oder genetische Syndrome sein. Auch chronische Lebererkrankungen und Nebenwirkungen einiger Medikamente können zu einem niedrigen Wert führen. Auch ein Vitamin B12-Mangel führt zu einer Thrombozytopenie.
Erhöhung (= Thrombozytose)
Zu viele Blutplättchen weisen auf entzündliche Prozesse hin. Vor allem nach akuten Infektionen (reaktive Vermehrung), Operationen mit hohem Blutverlust oder Krebserkrankungen ist ihre Anzahl häufig erhöht.
Hämatokrit (Abkürzung: HKT/HK)
Der Hämatokrit besagt, wie hoch der Anteil der „festen“ Bestandteile des Blutes (wie Erys, Leukos oder Thrombos) im Vergleich zu den flüssigen steht. Dabei neigt ein dickflüssiges Blut (hoher Hämatokrit) zu Thrombosen und Embolien und bei zu dünnem Blut ist die Sauerstoffversorgung vermindert.
Verminderung
Dies ist in der Regel ein Hinweis auf eine Anämie.
Erhöhung
Ursache hierfür kann ein Sauerstoffmangel mit Erhöhung der Erys sein (siehe oben) oder aber auch, dass der Mensch zu wenig Wasser trinkt oder extrem viel geschwitzt hat.
Hämoglobin (Abkürzung: HB)
Dies ist der eigentliche rote Blutfarbstoff aufgrund des zentralen Eisenatoms. Hämoglobin ist auch der eigentliche Transporter für den Sauerstoff (nicht der Ery selber), der sich an die Erythrozyten bindet und damit zu jeder Zelle kommt.
Verminderung
Die häufigste Ursache hierfür ist eine Eisenmangel-Anämie.
Erhöhung
Ebenso wie eine Erhöhung der Erys ist dies ein Zeichen für Sauerstoffmangel, wie z.B. für chronische Lungen- und Herzerkrankungen.
MCV
MCV steht für das mittlere korpuskuläre Volumen eines Erys, Dies ist besonders deshalb wichtig, da die Endarterien kleiner sind (ca. 4-6 µm) als die Erythrozyten (ca. 8 µm). Dadurch „quetscht“ sich der Sauerstoff und die Mikronährstoffe in die Peripherie. Sind sie zu groß, kommt es zum Stau, sind sie zu klein, werden sie nicht ausreichend gequetscht. Das heißt, in beiden Fällen wird die Zelle nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, es entsteht also eine Anämie.
Verminderung
- Eisen- oder Kupfermangel
- Vitamin B6-Mangel
- Tumore
- Infektionen
- Blutungen
Erhöhung
- Folsäure-Mangel
- Vitamin B12-Mangel
- Alkoholmissbrauch
- Bestimmte Medikamente
Die häufigsten Formen sind die des Mangels an Mikronährstoffen (Fe, Cu, B6, B12, Fols.). Leider ist dieser Wert nicht immer aussagekräftig. Die Messung erfolgt durch Zählmaschinen, die nur einen Mittelwert bestimmen. Und im Dunkelfeld zeigt sich immer wieder, dass Eisen- und B12-Mangel nebeneinander existieren können, das heißt der Mensch hat sowohl zu kleine als auch zu große Erys und damit eine besonders starke Anämie. In diesem Fall wäre der Mittelwert im MCV aber trotzdem unauffällig.
MCH
MCH ist die Abkürzung von Mean Corpuscular Hemoglobin (übersetzt: mittlerer korpuskulärer Gehalt an Hämoglobin). Er gibt den durchschnittlichen Hämoglobin-Gehalt jedes einzelnen roten Blutkörperchens an. Er sagt also aus, wie viele Hämoglobinmoleküle pro Ery vorhanden sind.
Verminderung
Hinweis auf einen Eisenmangel
Erhöhung
Kann auf einen Mangel an Vitamin B12, B1 oder Folsäure hindeuten.
MCHC
MCHC ist die Abkürzung für Mean Corpuscular Hemoglobin Concentration – also für die mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration aller Erythrozyten. Gemeinsam mit den Werten MCV und MCH lassen sich damit Anämien erkennen und unterscheiden.
Zusammenfassung
Viele meiner Patienten glauben, wenn sie ein großes Blutbild gemacht bekommen haben, sind sie umfassend untersucht. Doch weit gefehlt. Grob gesagt kann man mit deren Hilfe nur aussagen, ob der Mensch eine Krankheit durchlebt und ob diese tendenziell bakteriell, viral oder allergisch ist. Außerdem erkennt man Anämien. Alles andere erfordert weitergehende Untersuchungen. Über z.B. Mineralstoffe, Vitamine oder Spurenelemente sagt das Blutbild nichts aus!
In der Praxis haben wir vor allem Menschen mit chronischen Erkrankungen. Und als Hilfestellung für diese Krankheiten sagt das große Blutbild meiner Meinung nach fast nichts aus.
Man darf also vom „großen Blutbild“ nicht zu viel erwarten und muss auch den Patienten darüber informieren.
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