Erfinder der Schüßlersalze
Wenn man den Studienverlauf von Schüßler aus heutiger Sicht liest, wäre man wahrscheinlich geneigt, die Fähigkeiten anzuzweifeln. Ein Studium ohne Abitur? Den Doktorgrad ohne die Abgabe einer Dissertation, ohne Leistungsnachweise und in Abwesenheit erworben?
Das Leben von Schüßler ist nicht von Kontinuität und Geradlinigkeit in den ersten Jahren geprägt. Am 21. August 1821 in Bad Zwischenahn geboren, verließ er bereist mit 10 Jahren die Heimatstadt um in Oldenburg als Schreiber sein Geld zu verdiengen. Dort lernte er eifrig und mit viel Fleiß sechs Fremdsprachen, die er in Wort und Schrift beherrschte. Aufgrund dieses Wissens konnte er ab 1849 als Nachhilfelehrer arbeiten.
Dank seines Bruders begann Wilhelm Heinrich Schüßler 1852 in Paris mit dem Medizinstudium, welches er in Berlin fortsetzte und in Gießen unter dubiosen Umständen abschloss. In Gießen promovierte man ihn unter der Angabe, er werde als Militärarzt einberufen, unter Abwesenheit. Man erließ ihm die Abgabe einer Dissertationsarbeit und verlangte lediglich die Zahlung der Bearbeitungsgebühren. Sein fehlendes Abitur wurde erst zum Problem, als er sich mit niederlassen wollte. Er holte das Abitur und anschließend sein ärztliches Staatsexamen mit mäßigem Erfolg nach.
1858 ließ sich Schüßler in Oldenburg nieder und praktizierte 15 Jahre lang als homöopathischer Arzt. Man kannte ihn als skurrilen Junggesellen, der immer den gleichen Hat trug und immer wollene Handschuhe aufsetzte, egal welche Jahreszeit gerade aktuell war.
Um das Jahr 1872 herum muss es die entscheidende Wendung in Schüßlers Leben gegeben haben. Zu dieser Zeit veröffentlichten die Professoren Jacob Moleschott und Dr. Rudolf Virchow ihre aufsehenerregenden Studien auf dem Gebiet der Zellenforschung. Virchow postulierte, dass die von ihm entdeckten Zellen der Ursprung der Gesundheit des Körpers waren und deren einwandfreie Funktion die Grundvoraussetzung dafür. Virchow prägte dieser Erkenntnis folgend den Satz: „Das Wesen der Krankheit ist die krankhaft veränderte Zelle.“
Im Jahr 1875 wandte sich Schüßler endgültig offiziell von der Homöopathie ab. Dies gipfelte in dem Austritt aus dem „Centralverein homöopathischer Ärzte“, wo er Anfeindungen und Polemik über sich ergehen lassen musste. Schüßler war überzeugt von seiner Theorie, dass Zellen gewisse Nährstoffe benötigen, um gesund zu bleiben. In Schüßlers Hauptwerk „Eine abgekürzte Therapie“ legt er seine Überzeugung dar, dass die Gabe eine begrenzen Anzahl von mineralischen essenziellen Substanzen die optimale Therapie darstellt. Abgekürzte Therapie deshalb, weil er damit die im Vergleich zur Homöopathie vereinfachte Mittelfindung darstellen wollte.
In Schüßlers Zeit fällt der Beginn der jungen physiologischen Chemie. In seinen Werken nutzt Schüßler die Begriffe Biochemie und physiologische Chemie synonym. Er darf jedoch nicht als Begründer oder gar Entdecker der Biochemie verstanden werden. Er nahm sich in seinem Werk lediglich den Terminus seiner Zeit an.
Schüßler erarbeitete zwölf Mineralsalze, die seiner Ansicht nach essentiell für eine gesunde Zellfunktion waren.
Diese bereitete er so auf, dass sie seiner Meinung folgend am besten vom Körper aufgenommen werden können. Methodisch orientierte er sich an dem Verreibungsverfahren der Homöopathie. Doch war ihm die Abgrenzung dazu stets wichtig.
“Ich habe alles, durch Theorie und Praxis über die Molekularwirkung der genannten 12 Salze von mir ermittelte in ein System gebracht, und meiner Heilmethode den Namen ‘Biochemie’ gegeben. Die Biochemie ist mit der Homöopathie nicht identisch.”
– W.H. Schüßler
Schüßler verstarb am 30. März 1898 im Alter von 77 Jahren in Oldenburg.